Heimatgeschichte Heimatgeschichte : Schwimmbad aus der Not eröffnet

Eisleben - Wer in Eisleben nach Spuren des einstigen Freibades Zellermühle fragt, dem kann es passieren, dass man ihn in die Zellergasse schickt, wo bis Anfang der 1990er Jahre das Zellerbad bestand, das vielen noch in guter Erinnerung ist.
Doch Zellerbad und Zellermühle sind zwei verschiedene Schuhe, noch dazu an entgegengesetzten Enden der Stadt.
Schwimmbad statt Wassermühle
Während das Zellerbad, eine ehemalige Tongrube in der Neustadt, erst im Sommer 1945 für jedermann geöffnet wurde, konnte die Zellermühle am Rande des Wiesengeländes (heute Weg zum Sportplatz) bereits im Sommer 1884 die ersten Badegäste begrüßen.
Gründer dieses Bades war der Müllersohn Ferdinand Stöbe (1850-1945) aus Elben, der 1877 mit einem Meisterbrief in der Tasche nach Eisleben kam.
Allerdings nicht mit der Absicht, das erste Freibad der Stadt zu eröffnen, sondern um die Zellermühle zu betreiben und überdies noch mit Landwirtschaft sein Brot zu verdienen.
Der junge Mann hatte die Mühle mit dem dazugehörigen Land gekauft und erneuerte zunächst das Mahlwerk. Allerdings ahnte er nicht, dass der Mühlgraben schon bald so wenig Wasser führen würde, das ein Weiterbetrieb der Mühle auf Dauer fraglich erschien.
Schwimmlehrer auf Umwegen
Der Müller musste notgedrungen umsatteln, dabei kam er auf die Idee mit der Badeanstalt. Für ein Freibad sollte das Wasser allemal reichen.
Stöbe glaubte an seine Idee, er wusste, dass die Eisleber, wenn sie im Sommer Abkühlung suchten, mit der Eisenbahn bis nach Röblingen an den Salzigen See fahren mussten. Und wenn sie gar nach einem Schwimmlehrer Ausschau hielten, fanden sie ihn nicht einmal dort.
In diesem Umstand sah Stöbe seine Chance: Er wollte den Leuten das Schwimmen beibringen. Doch seine finanziellen Mittel zur Umsetzung dieses Vorhabens waren erschöpft, der junge Meister brauchte ein Darlehen, um sein Bad zu bauen, dessen Beschaffung angesichts vieler Vorbehalte gegen das Projekt alles andere als einfach war.
Stöbe überwand alle Schwierigkeiten und schuf eine Badeanstalt mit 21 Umkleidekabinen. Nach Recherchen des Heimatforschers Peter Lindner war das Becken 25 mal 15 Meter groß und maximal zwei Meter tief.
Nach heutigen Maßstäben eher ein Planschbecken, was jedoch damals den Zuspruch nicht minderte. Der Andrang war am Anfang riesengroß, wie Lindner versichert.
Die Zellermühle wurde zur Wiege des Schwimmunterrichts in Eisleben. Ferdinand Stöbe brachte nicht allein zahllosen Kindern das Schwimmen bei, sondern auch vielen Lehrern, die das Gelernte weitergaben.
Generationen unterrichtet
Elf Jahre stand die Zellermühle als “Schwimmanstalt“ in Eisleben allein auf weiter Flur, dann folgte 1895 die Grasemühle bei Unterrißdorf, die aber laut Lindner nur bis 1912 bestand.
Auch das 1907 an der Landwehr eröffnete Germania-Bad konnte sich nur wenige Jahre halten. Als 1922 das heutige Stadtbad an der Kleinen Landwehr seine Einweihung erlebte, war das Germania-Bad bereits Geschichte. Sein Becken wurde zugeschüttet, Spuren davon sind heute in der Gartenanlage „Frieden“ kaum noch zu erahnen.
Das Bad in der Zellermühle blieb hingegen bis Anfang der 1950er Jahre bestehen, und Schwimmlehrer Stöbe erlangte einen fast legendären Ruf. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich wie seine Frau Antonie nie zur Ruhe setzte und noch mit über 90 Jahren Kindern das Schwimmen beibrachte, sie dabei an der Angel hielt, wie es seinerzeit üblich war.
Peter Lindner kennt den alten Herrn noch als „Papa Stöbe“, wie der sportliche Senior allgemein genannt wurde. „Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich irgendwie mitarbeiten kann“, zitierte ihn die Eisleber Zeitung 1943 an seinem 93. Geburtstag und bemerkte dabei, dass mittlerweile bereits „die Enkel und Urenkel jener Generation bei Vater Stöbe schwimmen lernen, die vor einem Menschenalter die ersten Badegäste der Zellermühle stellte.“
(mz)
