Häuslebauer als Influencer Häuslebauer als Influencer: Digitale Bauherren gehen viral

Amsdorf - Das Foto zeigt ein Eckhaus, ganz aus Backsteinen gemauert, unweit der Bahnstrecke in Amsdorf. Es ist in einem bedauernswerten Zustand: Am Giebel wächst der Efeu bis zum Dach, von dem viele Quadratmeter die Ziegeln fehlen. Der Zahn der Zeit nagt an der Ruine, die seit 30 Jahren leer steht.
Die Erbauer hätten sich um das Jahr 1900 wohl nicht träumen lassen, dass ihr Backsteinhaus einmal so viel Aufmerksamkeit im Internet bekommen würde. 2017 nämlich kaufte ein junges Ehepaar aus Amsdorf das Grundstück samt Gebäude und hält ihren Umbau seitdem beim Onlinedienst Instagram in Bild und Text fest - für sich selbst und für die Öffentlichkeit.
Das Ziel: Amsdorf treu bleiben
Das Gesicht hinter dem Account „mach_was_draus_haus“ ist die 35-jährige Ulrike Gruhne. Im Oktober 2018 hat sie das Profil erstellt und als erstes das Foto der einstigen Ruine hochgeladen. Seitdem hat sich auf dem Grundstück der Familie viel verändert, und von dem Backsteinhaus ist fast nichts mehr zu sehen.
Ulrike Gruhne ist gebürtige Amsdorferin, ihr Ehemann Maik aus Helfta zugezogen. Ihrer Heimat wollte das Ehepaar, das im Saalekreis arbeitet, schon immer treu bleiben. „Ich bin im Nachbarhaus groß geworden, noch heute wohnen wir dort bei meinen Eltern, gleich neben unserer Baustelle. Und ohne die Familie ist man bei einem solchen Projekt echt aufgeschmissen“, verrät Ulrike Gruhne. Sie ist Mutter der kleinen Henriette, die in diesem Monat ein Jahr alt wird. „Da wird es Zeit, dass sie ein eigenes Zimmer bekommt“, sagt sie und lacht.
2018 begannen Ulrike und Maik Gruhne zunächst damit, den Hof von Holunderranken und Unrat zu befreien. Bald stellte sich heraus, dass eine Sanierung des Backsteinhauses nicht möglich ist - zu sehr hatten die vergangenen 30 Jahre ihre Spuren hinterlassen. „Wir haben uns dann dazu entschlossen, den Gewölbekeller zu retten und darauf neu zu bauen“, sagt Ulrike Gruhne. So wurde das alte Haus mit seinen zweieinhalb Geschossen schließlich abgerissen. Nur der Gewölbekeller durfte bleiben und wurde entkernt und entrümpelt. „Wir haben zum Beispiel unzählige uralte Konserven ausgeräumt“, sagt Ulrike Gruhne.
Baufortschritt festhalten
Mittlerweile ist das neue Haus auf den alten Grund gemauert, Fenster sind eingebaut. Im nächsten Schritt müssen Heizungsbauer und Elektriker koordiniert werden. Außerdem läuft der Trockenbau. In einem der letzten Beiträge schreibt Ulrike Gruhne auch, dass die Familie nun endlich den perfekten Esstisch zur Küche und dem Schieferboden gefunden hat: „Zehn Plätze bietet er.“ All das erfahren die Mitleser auf dem Account.
Instagram wollte das Paar zunächst nutzen, um sich Inspirationen für ihr Eigenheim mit 100 Quadratmetern Wohnfläche zu holen. „Es gibt dort so tolle Projekte“, berichtet Ulrike Gruhne.
„Und der Austausch mit anderen Bauherren ist wahnsinnig nett und umkompliziert.“ So habe sie eine Familie kennengelernt, die auch auf einem alten Keller baut und sozusagen ihr „Bauherrenschicksal“ teilt.
Privatsphäre beschützen
Negative Erfahrungen hat Ulrike Gruhne noch nicht gemacht „Ich bin darüber wirklich erstaunt. Instagram verbindet“, sagt die junge Mutter. Gleichzeitig will sie genau abwägen, welche Fotos zu persönlich oder zu privat sind - auch von den eigenen vier Wänden. „Ich bin da immer für Zurückhaltung“, sagt sie.
Mittlerweile ist das Instagram-Profil auch zum digitalen Bautagebuch für die Familie geworden. „So wissen wir immer, welche Arbeiten wann erledigt wurden“, sagt Ulrike Gruhne, die zu den Fotos auch ihre Gedanken, Gefühle oder kleine Geschichten hinzugeschrieben hat. Später soll ein Buch mit den Fotos als Erinnerung an den Bau entstehen.
So verfolgen etwa 420 Nutzer, wie es auf der Baustelle von Familie Gruhne vorwärts geht. „Wir haben es nie darauf angelegt, viele Follower zu haben“, sagt die Bauherrin. Vielmehr will die Familie zeigen: „Wer auch immer die Idee hat zu bauen, packt es an!“, findet sie. „Die Zeit dafür war nie besser.“
Ulrike und Maik Gruhne planen, in diesem Jahr in ihr „neues Haus auf altem Keller“ einzuziehen, wie sie selbst sagen. Doch den Instagram-Account wollen die Bauherren weiter pflegen. „Ich blättere abends gerne auf der Plattform“, sagt Ulrike Gruhne. „Sich dort Ideen zu holen, ist mittlerweile ein richtiges Hobby. Und als Hausbesitzer ist man sowieso nie wirklich fertig.“ (mz)
