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Von Beruf Zocker Florian Rische aus Eisleben verdient sein Geld als Computerspieler - Von Beruf e-Sport-Profi

Von Julius Lukas 22.11.2017, 18:08
Seit Mai 2016 ist Florian Rische aus Eisleben Profi-Computerspieler. Etwa 30 000 Euro Preisgelder hat er schon bei  Turnieren kassiert.
Seit Mai 2016 ist Florian Rische aus Eisleben Profi-Computerspieler. Etwa 30 000 Euro Preisgelder hat er schon bei  Turnieren kassiert. Andreas Stedtler

Eisleben - Plötzlich liege ich am Boden. Einfach niedergestreckt, wie vom Blitz getroffen. Auf dem Bildschirm des Computers sind Blutspritzer zu sehen. Ich bin tot und habe keine Ahnung, wie es dazu gekommen ist.

Verantwortlich für mein Ableben - so viel weiß ich - ist Florian Rische. Doch: Wie hat er das gemacht? Gesehen habe ich den 21-Jährigen nämlich nicht. Ein fragender Blick zu ihm. „Ich war hinter dir“, sagt Rische grinsend und schaut dann herausfordernd hinter seinem Laptop hervor: „Du musst schon etwas schneller sein.“

Es ist ein Satz, der sitzt. Allerdings verliert er schnell an Härte. Denn unser virtuelles Gefecht im Computerspiel „Counter Strike“ (englisch für „Gegenschlag“) glich eher dem Kampf David (Ich) gegen Goliath (Rische) - wobei Ich in diesem Fall ohne Schleuder angetreten bin. Rische, der in Eisleben (Mansfeld-Südharz) lebt, ist nämlich e-Sport-Profi. Er verdient als Computerspieler sein Geld. „Mit richtigem Arbeitsvertrag und auf Lohnsteuerkarte“, wie er sagt.

Sein Monatsgehalt liegt auf dem Niveau eines Elektrikers oder Krankenpflegers - allerdings sind da die Preisgelder noch nicht eingerechnet. In seiner Karriere als Berufs-Zocker hat Rische schon etwa 30.000 Euro mit dem geschickten Tippen auf Maus und Tastatur kassiert.

Profi-Zocker Florian Rische ist mit Team Alternate Attax Deutscher Meister

Seine Spezialdisziplin ist Counter Strike. Eben jenes Spiel, in dem wir uns duelliert haben. In der Szene wird es nur CS genannt, ein Ego-Shooter in dem eine Polizei-Spezialeinheit gegen Terroristen antritt. Seit über einem Jahrzehnt gehört es zu den beliebtesten Spielen im Zocker-Universum. Derzeit gibt es nur wenige in Deutschland, die es besser beherrschen als Florian Rische. Mit seinem Team Alternate Attax hat er im vergangenen Jahr die Deutsche Meisterschaft (ja, so etwas gibt es) gewonnen. „Und auch in diesem Jahr sieht es gut aus“, sagt Rische.

Die digitale Welt hat längst neue Berufsbilder hervorgebracht. So kann man nicht nur als professioneller Videospieler sein Geld verdienen, sondern auch mit seiner Online-Persönlichkeit. 

Mit eigenen Websites oder Auftritten in den sozialen Medien lässt sich ein Millionenpublikum erreichen - und auch beeinflussen. Als erfolgreichster Youtuber gilt der Schwede Felix Kjellberg. Auf dem Videoportal spielt er vor einem Millionenpublikum Computerspiele und kommentiert sie dabei. 2016 verdiente er durch Werbung geschätzte 12,7 Millionen Euro. 

Ein anders Beispiel ist der irische Reiseblogger Johnny Ward. Er bereiste alle Länder der Erde und schrieb auf seiner Website darüber. So hat er etwa 1,5 Millionen Euro eingenommen. 

Und auch beim Schöne-Bilder-Portal Instagram kann man schnell reich werden. Bis zu 500.000 Euro kann eine gesponserte Veröffentlichung dort wert sein. Dazu muss man allerdings mehrere Millionen Fans haben. 

Dabei ist Counter Strike nicht unumstritten. Bei Wettkämpfen treten zwei Teams mit je fünf Spielern gegeneinander an. Ziel ist es, den Gegner zu eliminieren. Verächtlich wird es deswegen oft als Killerspiel gebrandmarkt, das Gewalt verherrlicht. „So ein Quatsch“, sagt Rische. „Es geht vor allem um Taktik, die Kooperation und Kommunikation mit den Mitspielern.“ Das Abschießen der Gegner sei letztlich der kleinste Reiz. „Viel wichtiger ist für mich, dass unsere Mannschaft funktioniert und wir unseren Plan umsetzen können.“

Der Kampf gegen Vorurteile ist unter Computerspielern so alltäglich wie Muskelkater im rechten Zeigefinger (mit dem bedient man die Computer-Maus). Florian Rische etwa erzählte als Jugendlicher kaum über sein Hobby. „Ich habe das lange geheim gehalten“, sagt der junge, schlanke Mann mit dem akkurat gestutzten Bart. Denn zu oft sei er als Nerd abgestempelt worden, der den ganzen Tag nur in seinem Zimmer hockt. „Dabei war ich immer mit Kumpels unterwegs und gehe natürlich auch auf Parties und so.“

e-Sport-Vereine in Deutschland gelten nicht als nicht gemeinnützig

Wie tief das Bild des blassen Jungen, der bei Cola und Pizza die Nächte durchdaddelt, in den Köpfen verwurzelt ist, zeigt auch die Debatte um die Anerkennung von e-Sports (Kurzform von elektronischer Sport) als reguläre Sportart. Denn während Videospiele in skandinavischen Ländern schon als Schulfach angeboten werden, gelten e-Sport-Vereine in Deutschland derzeit nicht einmal als gemeinnützig - was zu Nachteilen bei Steuern und Fördergeldern führt. Außerdem verweigern Dachverbände wie der Deutsche Olympische Sportbund die Einstufung als Sportart.

Dabei zeigen aktuelle Forschungsergebnisse etwa der Sporthochschule Köln, dass Computerspieler bei Turnieren Herzfrequenzen erreichen, die denen eines Rennfahrers gleichen. Auch würden Stresssituationen entstehen wie bei einem Final-Elfmeter im Fußball. Außerdem muss ein Computerspieler mental stark sein und er bewege sich - so sagen es die Forscher - allemal mehr als Schachspieler oder Sportschützen.

Doch eigentlich, so sieht es auch Florian Rische, kann es den professionellen Zockern egal sein, ob sie anerkannt werden. Die Szene braucht die etablierten Organisationen nicht. Denn während die Dach- und Fachverbände noch diskutieren, hat sich der e-Sport längst eigene Strukturen geschaffen. Es gibt riesige Wettkämpfe, die Hallen füllen, Live-Übertragungen im Fernsehen und Internet sowie Preisgelder, die in astronomische Höhe schießen. Beim Turnier „The International“ treten Mannschaften im Strategiespiel Dota 2 gegeneinander an. 2017 bekam das Gewinnerteam eine Siegprämie von stattlichen 10,86 Millionen Dollar (9,2 Millionen Euro).

Geld verdienen mit Computerspielen: Florian Rische trainiert acht Stunden am Tag

Wie professionell der e-Sport betrieben wird, sieht man auch an Florian Rische. „Ich trainiere acht Stunden am Tag, habe einen Coach und fahre mit meinem Team zu Trainingslagern“, erzählt der Eisleber, der drei ältere Brüder hat. Durch die lernte er auch Counter Strike kennen. „Als Zehnjähriger habe ich CS mal heimlich ausprobiert, als meine Brüder gerade nicht da waren“, erzählt Rische. Es gefiel ihm, er wurde immer besser und bekannter. Im vergangenen Jahr klopfte dann das Team „Attax“ des Computer-Versandhandels Alternate aus dem hessischen Linden bei ihm an. „Ich habe ein paar Probepartien absolviert und wurde genommen.“ Seit Mai 2016 ist er nun ein Profi-Spieler.

Anfangs allerdings sei sein Vater noch skeptisch gewesen, erzählt Rische, dessen Mutter vor zwei Jahren an einer seltenen Krebserkrankung gestorben ist. „Für ihn war es komisch, dass man mit Computerspielen Geld verdienen kann.“ Aber er habe ihm alles gezeigt und genau erklärt. „Bei einem großen Turnier hat er dann den Internet-Livestream geguckt und fand es eigentlich ganz cool“, erzählt der 21-Jährige. Nur eines sei seinem Vater wichtig gewesen. „Dass ich meine Ausbildung zum Bankkaufmann fertig mache, was ich auch im Juni geschafft habe.“

Doch anstatt hinter dem Schalter zu stehen, will Rische erst einmal in der CS-Szene an die Spitze. Und dort hat er es schon zu einigem Ruhm gebracht. „Bei der Eisleber Wiesen wurde ich in diesem Jahr von Fans angesprochen, die ein Bild mit mir wollten“, erzählt der 21-Jährige, der schon eigene Autogrammkarten hat. Seine Bekanntheit ist längst nicht mehr nur auf die virtuelle Welt beschränkt - daran müsse er sich erst noch gewöhnen.  (mz)

Unter dem Fantasienamen Syrson tritt Florian Rische bei Turnieren an, die wie hier 2016 in Paris Hallen füllen.
Unter dem Fantasienamen Syrson tritt Florian Rische bei Turnieren an, die wie hier 2016 in Paris Hallen füllen.
Alternate Attax