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Eisleben Eisleben: Dark Dinner im Stasi-Partykeller

Von jörg müller 06.02.2012, 18:11

eisleben/MZ. - Zum Feiern gingen die Mitarbeiter der Eisleber Kreisdienststelle der Staatssicherheit offenbar in den Keller ihrer Villa in der Wilhelm-Beinert-Straße. Zumindest sieht der holzvertäfelte, schlicht eingerichtete Raum noch heute so aus wie ein DDR-typischer Partykeller. Mehr als 20 Jahre nach dem Ende der Stasi wird es hier demnächst wieder eine Veranstaltung geben: ein "Dinner in the Dark" , ein Essen in der Dunkelheit. Ausrichter dieses "Gaumen-erlebnisses der besonderen Art" ist das Eisleber Unternehmen Avecio. "Die Kellner werden mit Nachtsichtgeräten arbeiten", sagt Jan Helling (36), Geschäftsführer des Avecio-Café-Shops in Halle. Im März ist das erste "Dinner in the Dark" geplant; Reservierungen für das Vier-Gänge-Menü, auf Wunsch auch vegetarisch, werden bereits entgegen genommen (Telefon 0345 / 203 63 38).

Seit mittlerweile mehr als zwei Jahren ist Avecio in der Villa Friemann - so benannt nach dem Erbauer Heinrich Friemann - aktiv. "Wir haben das Haus 2009 aus einer Nachlass-Insolvenz erworben", sagt Wilfried Helling (60), Vater von Jan Helling und Geschäftsführer der Avecio Production GmbH. Diese Firma mit Sitz im Gewerbegebiet Am Strohügel produziert hochwertige Lederwaren wie Hand-, Reise- und Aktentaschen, Geldbörsen und Gürtel. Außerdem vermarktet Avecio die Kollektionen des Helbraer Unternehmens ET Blue Chip, das sich seit einigen Jahren mit Design-Lederwaren einen Namen gemacht hat.

"Wir haben uns gefragt, wie man so exklusive Produkte als neue Marken etablieren kann", so Wilfried Helling, der vor seiner Selbstständigkeit den Obi-Markt in Sangerhausen geleitet hat. Und so sei die Idee mit dem Café-Shop entstanden. Durch die Verbindung der Boutique mit einem Kaffeehaus gebe es zum einen eine hohe Kundenfrequenz, so Jan Helling, der gelernter Koch und Hotelbetriebswirt ist und zuletzt Regionalmanager bei der Firma "Nordsee" war. Zum anderen könne man den Shop "ohne Berührungsängste" betreten. Das Konzept in Halle umfasst außerdem eine Live-Konditorei sowie regelmäßige Veranstaltungen wie Konzerte oder Kabarett sowie zwei mal im Jahr die Präsentation der neuen Kollektionen.

"Wir wollen dieses Konzept in den nächsten Jahren ausbauen", sagt Wilfried Helling. Das heißt, dass in weiteren Städten Café-Shops eröffnet werden sollen. "Wir gehen das aber ganz gelassen an." Langfristiges Ziel sei, ein Franchise-System aufzubauen, also das Geschäftskonzept an selbstständige Unternehmer weiter zu geben.

Für die ehemalige Stasi-Villa hatten Wilfried Helling und seine beiden Partner in der Grundstücksgemeinschaft zunächst einen anderen Plan. "Wir wollten hier eine Seniorenresidenz einrichten." Allerdings stellte sich dann heraus, dass diese Idee aus baulichen Gründen nicht umzusetzen war. "Wir hätten auch keine Genehmigung bekommen." Schließlich stehe das Haus unter Denkmalschutz - und zwar sowohl außen wie innen. Der Vorbesitzer hatte das Gebäude Mitte der 90-er Jahre saniert und als Wohn- und Geschäftssitz genutzt, später stand es dann allerdings längere Zeit leer. Der Zustand sei trotzdem recht gut gewesen.

In der nun wieder hergerichteten und elegant ausgestatteten Villa gibt es neben einigen Büros einen "Showroom" mit Avecio- und ET-Blue-Chip-Produkten. Außerdem können Privatleute, Firmen und Verbände Räume für Veranstaltungen mieten. "Wir hatten hier zum Beispiel schon einen Empfang der Industrie- und Handelskammer und eine Autopräsentation", sagt Wilfried Helling.

Während in den oberen Etagen längst nichts mehr an die früheren Hausherren von der Stasi erinnert, ist im Keller neben dem Partyraum auch ein weitläufiger Bunker im Originalzustand erhalten. Unter anderem stehen hier noch ein fast neues Notstromaggregat mit einem W 50-Motor sowie eine Be- und Entlüftungsanlage, die per Muskelkraft angetrieben werden sollte: Ein Mitarbeiter hätte auf einem Fahrrad in die Pedalen treten müssen. Auch zwei riesige Wassertanks sind bis heute gefüllt. "Hier gibt es noch einiges zu tun", so Helling. Allerdings ist immer zu bedenken: "Auch der Bunker steht unter Denkmalschutz."

Leider gebe es keine Unterlagen über das Objekt mehr. "Die Stasi hat wohl alles vernichtet", vermutet Helling.

Dass Akten vernichtet wurden, steht jedenfalls fest: In einem der Kellerräume liegt noch ein Berg geschreddertes Material.