Die "PARTEI" Die "PARTEI": Satiriker gründen Kreisverband in der "Leninstadt" Eisleben

Eisleben - Lucas Politt kratzt sich an seinem etwas zotteligen Bart, nimmt einen Schluck aus der Sternburg-Bierflasche und steht auf. „Wir wollen, dass Eisleben nicht mehr Lutherstadt Eisleben heißt“, sagt er in ernstem Ton. „Da sind einfach zu viele Buchstaben, so viel Zeit hat keiner beim Schreiben.“ Vielmehr solle die Stadt, in Gedenken an die einst aufgestellte Leninstatue am Plan, „Leninstadt Eisleben“ heißen. „Das ist ein Buchstabe weniger und spart Zeit.“
Die "PARTEI" von Satiriker Martin Soneborn ins Leben gerufen
Wer sich nun denkt, dass das ja gar nicht ernst gemeint sein kann, hat Recht. Lucas Politt ist Kreisvorsitzender und eines von acht Mitgliedern des am Samstagabend in Eisleben gegründeten Kreisverbandes der Partei Die PARTEI, die sich als satirischen Gegenentwurf zu den etablierten Parteien sieht. Ins Leben gerufen wurde sie 2004 vom ehemaligen Chefredakteur des Satire-Magazins Titanic, Martin Sonneborn, der seit 2014 sogar im Europa-Parlament sitzt. Ausgeschrieben heißt sie im Übrigen „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“.
Und nun reicht ihr Arm bis nach Mansfeld-Südharz. Auf den zusammengeschobenen Tischen liegen weiße Luftballons mit weinroter Aufschrift Die PARTEI, daneben Aufkleber, die sich gegen die AfD positionieren oder die SPD aufs Korn nehmen. An der Wand hängt ein weinrotes Wahlplakat. „Der Storch bringt die Kinder, die Storch bringt sie um“, steht drauf. Viel Witz und - wenn es nach den Mitgliedern geht - auch viel Wahrheit liegen in diesem Raum, der so voller Zigarettenqualm ist, wie es eben ist, wenn sich rund 15 Leute stundenlang permanent eine Zigarette nach der anderen anzünden. Aufkleber und Co. stammen aus dem Titanic-Onlineshop, sagt Mitglied Philipp Hörold.
Jung, männlich, C&A-Anzug
Alle Mitglieder sind jünger als 30 Jahre und männlich, tragen rote Krawatten auf hellblauen Hemden, die meisten noch ein dunkles Sakko dazu. „Das ist alles von C&A, das ist Parteivorschrift“, sagt Lucas Politt, während zum wiederholten Mal jemand in die Runde fragt: „Will noch jemand ein Bier?“ Das politische Interesse sei schon länger dagewesen, Erfahrungen habe man bisher noch keine gesammelt. „Wir kennen uns vom intensiven Bierkonsum“, sagt Eric Nagel, der auf Listenplatz eins für die Stadtratswahl in Eisleben ins Rennen gehen soll.
Der Kreisverband Mansfeld-Südharz ist nach jenen aus Halle und Magdeburg sowie Börde, Wittenberg und Harz der sechste im Land. „Wir wollen uns vor allem um die Erstwähler und die Letztwähler kümmern“, sagt Politt, der eine Ausbildung zum Lebensmitteltechniker macht. „Wir versprechen Westpakete für alle.“ Eric Nagel findet, man solle die Renten in Ost und West angleichen. Da die Ostrenten aber schwerlich auf das Niveau im West angehoben werden könnten, „müssen die Westrenten gesenkt werden“.
Seilbahn zwischen Eisleben und Wittenberg gefordert
Zudem sei eine Seilbahn zwischen den beide Lutherstädten Eisleben und Wittenberg sinnvoll, um den Tourismus besser zu verknüpfen. Die Beiträge von Martin Sonneborn hätten ihn zum Nachdenken gebracht, so Nagel. „Vor allem die Art, wie in Deutschland mit geltenden Gesetzen umgegangen wird.“
„Wir führen einen populistischen Wahlkampf“, sagt Politt, auf dessen Sakko eine Nordkorea-Flagge aufgenäht ist, weil ihm die Frisur von dessen Diktator Kim Jong Un so gefalle. „Die GroKo hat gezeigt, dass es nicht mehr auf Inhalte ankommt.“ Und so verschmelzen immer wieder Witz und Wahrheit. „Ich finde den politischen Einheitsbrei nervig“, sagt er.
Mit Hilfe von Landeschef Martin Bochmann aus Halle, der früher bei der SPD aktiv war und von über 300 Parteimitgliedern im Land ausgeht, wird die Gründung durchgezogen. „Damit das nordkoreanisch beschleunigt wird, schlage ich eine Blockwahl vor“, sagt er. Gewählt wird auf kleinen Notizzetteln aus einer Zettelbox. Ein „J“ für Zustimmung, ein „N“ für Ablehnung. Neben Lucas Politt als Kreisvorsitzender, werden Marco Riek als dessen Stellvertreter sowie die Liste für die Kommunalwahl bestimmt. Dort wolle man erst einmal in den Stadtrat Eisleben. Für alle anderen Parlamente rechne man nicht damit, ausreichend Unterschriften zu bekommen, um überhaupt zur Wahl zugelassen zu werden. (mz)