Das Wunder von Helbra Das Wunder von Helbra: Neugeborenes Fohlen kämpft ums Überleben

Helbra - Seit 25 Jahren hat Ines Brill mit Pferden zu tun. Doch was sie und ihre Mitstreiter vom Reit- und Fahrverein Helbra in den zurück liegenden Tagen mitgemacht haben, das hat auch sie noch nicht erlebt. Völlig überraschend hat die 17 Jahre alte Stute „Puppe“ ausgerechnet zum Muttertag ein Fohlen zur Welt gebracht. „Doch damit fing die Aufregung erst richtig an“, so die gelernte Facharbeiterin für Anlagentechnik, die sich nach der Wende ihrer eigentlichen Passion, der Tierliebe, gewidmet hat.
Um das Überleben von "Merle" gekämpft
Sie, ihre Tochter Conny sowie die anderen Vereinsmitglieder Kathrin Hebestadt und Jennifer Scheffler haben einen Tag und eine Nacht lang buchstäblich jede Minute um das Überleben der kleinen Stute „Merle“ gekämpft. Und das mit allen Tricks, die Pferdezüchter anwenden, um Nachwuchs zu retten.
Milliliter für Milliliter träufelten die Frauen dem schwachen Fohlen mit einer Nuckelflasche die Milch ein. Sogar eine Saugflasche für Kälbchen kauften sie, um das Fohlen zum Trinken zu animieren. Denn das war das große Problem: „Merle“ hatte keinen Saugreflex. Und das Fohlen kam wegen seiner langen Beine, die es vom Vater, einem Tinker-Hengst, geerbt hat, nicht richtig an das Euter heran.
Zu allem Überdruss wurde das Fohlen auch noch von einem schrecklichen Durchfall heimgesucht. „Da schrillten alle Alarmglocken“, so Ines Brill. Sie hatte die kleine Stute am Montag früh völlig apathisch im Stall vorgefunden. Am Nachmittag sah es so aus, als sollten alle Bemühungen der Frauen nichts nützen. „Da dachten wir schon, sie wird es nicht schaffen“, so Conny Brill. Sie hatte bereits überlegt, wie sie ihrer siebenjährigen Tochter Leonie, der das Pony gehört, den Verlust des Fohlens beibringen sollte.
Tierarzt hatte wenig Hoffnung
Auch Tierarzt Hans-Georg Zirkler aus Allstedt, der am Montag sofort herbeigeeilt war, um den besorgten Pferdefreunden zu helfen, machte ihnen wenig Hoffnungen. „Die Überlebenschancen waren nicht so gut“, sagte er der MZ. Umso mehr zeigte er sich „positiv überrascht“, als er am Dienstagmorgen wieder nach dem Fohlen schaute. Es lebte noch und trank Milch bei seiner Mutter. Als es mit dem Fohlen am Montagabend zu Ende ging und alle im Verein verzweifelt waren, wagten die Frauen einen letzten Versuch: Sie hoben das Fohlen gemeinsam hoch, zwei hielten den Körper, eine den Hals des neugeborenen Tieres. „Wir dockten es regelrecht an der Stute an“, berichtet Conny Brill. Und siehe da, das Wunder geschah: Das Fohlen ging ans Euter und trank. „Da flossen bei uns die Tränen“, war Kathrin Hebestadt auch Stunden später noch von ihren Glücksgefühlen überwältigt. In dieser Nacht zeigten auch die Medikamente ihre Wirkung und der Durchfall hörte langsam auf.
Die drei Frauen haben kein Auge zugetan. Immer wieder halfen sie dem Fohlen beim Trinken. Sie rieben es warm und streichelten seinen Hals. Sie selbst saßen in Decken gehüllt vor dem Stall und ließen ihren Schützling, der Überlebenswillen zeigte, nicht aus den Augen. „Ich habe richtig Muskelkater bekommen, von dem ständigen Anheben“, scherzt Conny Brill. Während sie der kleinen Stute beistand, hat sich ihr Mann um Leonie und die zweite Tochter Fabienne, die anderthalb ist, gekümmert.
Fohlen noch nicht über den Berg
Der Notfall im Pferdestall ging diesmal vor. „Noch ist das Fohlen nicht völlig über den Berg, doch ich bin nun guter Dinge“, schätzt Tierarzt Zirkler ein. Er steht auf Abruf bereit, falls sich der Zustand des Fohlens verschlechtern sollte. Wenn es überlebt, dann nur, weil sich die Mitglieder des Vereins so aufopferungsvoll um die kleine kranke Stute gekümmert hätten, zollt er den Frauen ein dickes Lob.
Schon die Schwangerschaft der Stute war ungewöhnlich. Das Mini-Pony sollte eigentlich nicht noch einmal trächtig werden. Doch dann ist die Stute ausgebrochen und auf der Koppel mit drei Hengsten gelandet: einem Esel, einem Mini-Pony und dem 20 Jahre alten Tinker-Zuchthengst. Der ist fast doppelt so groß wie die Ausreißerin und schaffte es dennoch, sie zu decken.
Sieben Monate später bemerkten die Pferdefreunde, dass das Mini-Pony rundlicher wurde. Vor einem Monat bildete sich dann das Euter heraus und erste Milch schoss ein. „Da wussten wir, was damals passiert ist“, so Ines Brill. Doch die Geburt verzögerte sich. Und als man schon einen Kaiserschnitt in Erwägung zog, überschlugen sich die Ereignisse. „Wir hoffen, dass alles noch gut ausgeht“, so Ines Brill. (mz)

