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Zeug zum Publikumsliebling Zeug zum Publikumsliebling: "Rumpelstilzchen" im Anhaltischen Theater Dessau spannend bis zum Schluss

Von Johannes Killyen 20.11.2018, 13:48
Die dampfende Experimentierwerkstatt ist eines der Hauptbilder im Märchen Rumpelstilzchen.
Die dampfende Experimentierwerkstatt ist eines der Hauptbilder im Märchen Rumpelstilzchen. Claudia Heysel

Dessau - Während sich über Dessau die frostige Novembernacht senkt, flackert auf der Theaterbühne, weit draußen im Moor, ein einsames Feuer. Um es herum humpelt und hüpft irre kichernd ein gebeugtes Männchen - der Kopf ein schrumpeliges Ei, die Schlappohren spitz wie Meister Yoda. Uralt von Angesicht ist es, doch im Geiste ein Kind. Und scharf wie eine Klinge ist sein Stimmchen. Ach wie gut, dass niemand weiß … der Rest ist bekannt.

Am Anhaltischen Theater hatte Samstag das Weihnachtsmärchen Premiere - wie immer bereits vor der Adventszeit, denn bis Anfang Februar warten noch knapp 30 weitere Vorstellungen. Mit dem „Rumpelstilzchen“ wurde ein ultimativer Klassiker der Gebrüder Grimm auf die Bühne gehoben, den Regisseur Andreas Rehschuh bis auf ein paar bemerkenswerte Details traditionell erzählt.

Sein Märchen ist ein Thriller und bleibt spannend bis zum Schluss, sparsam, doch eindrucksvoll untermalt von Gundolf Nandicos Musik. Es lebt von der Präsenz der Darsteller, die echte Typen sind. Nach dem Aladin im vergangenen Jahr gibt Roman Weltzien, den man in Dessau längst nicht mehr als Gast empfindet, auch hier den Protagonisten. Er entwickelt das Rumpelstilzchen zu einer großen tragischen Figur, die abstoßend und Sympathieträger zugleich ist.

Anders als im Grimmschen Märchen hat der Müller in Dessau gar nicht vor

Ein Geist, der nicht das Gute, nicht das Böse, sondern einfach nur Liebe will. Und ein dunkles Geheimnis hütet, das hier nicht verraten wird.

Anders als im Grimmschen Märchen hat der Müller in Dessau gar nicht vor, seine Tochter zu verheiraten - weder mit dem König, noch mit dem Königssohn, den es im Original nicht gibt. Vielmehr ist Stephan Korves ein chaotischer Erfinder namens Arthur Müller, der lieber an verrückten Maschinen herumschraubt, als seinem eigentlichen Beruf nachzugehen.

Regisseur und Bühnenbildner Rehschuh hat ihm riesenhafte Zahnräder und eine dampfende Experimentierwerkstatt gebaut, die den Beginn und weite Teile der Inszenierung optisch prägen. Für seine einzige Tochter Hannah würde der Müller alles tun und verfällt im Angesicht eines vermeintlichen Räubers auf eine Notlüge, die die Geschichte in Gang bringt: Sie könne, so der Müller, Stroh zu Gold spinnen.

Kecke Müllerstochter, die vielleicht einen noch mutigeren Text verdient gehabt hätte

Der Räuber, das ist freilich nur der freundlich-trottelige Königssohn Maximus (Andreas Hammer), der Hannah unbedingt zur Frau haben möchte und sie seinem resoluten, geizigen, geldgierigen Vater, dem König Ludwig (Dirk Schoedon), als Goldspinnerin verkauft. Ausbaden muss das alles Juliane Götz, die ihre Müllerstochter wunderbar natürlich und keck spielt und vielleicht einen noch mutigeren Text verdient gehabt hätte.

Diesem Weichei von Königssohn einfach so in die Arme zu fallen - das passt nicht zu ihr. Denn als Quotenfrau der Handlung gibt sie auch den einzigen Widerpart zum Rumpelstilzchen. Das taucht auf als Retter in der Not, als die verzweifelte Müllerin, eingesperrt im Königspalast, in drei Nächten Berge von Stroh in Gold verwandeln soll.
Apropos Königspalast: Der ist ziemlich leer und mehr holzgetäfeltes Kongresszentrum als Märchenschloss.

Die Kostüme (Grit Walther) atmen bis auf den königlichen Pelzmantel gehobene Bürgerlichkeit der 20er Jahre. Die Krone prangt überall, wie das Logo einer royalen GmbH & Co. KG, deren Haushofmeister Tino Kühn als herrlich schnöseliger Minister X dafür sorgt, dass alles seine Ordnung hat.

Nach turbulentem Beginn wird die Inszenierung etwas dialoglastig

Nach turbulentem Beginn wird die Inszenierung etwas dialoglastig, doch nach der Pause geht es im Zeitraffer weiter: Das Rumpelstilzchen fordert als Lohn das neu geborene Kind der zur Königin aufgestiegenen Müllerstochter und schickt den Hofstaat auf hektische Suche nach seiner Identität: Erratet meinen Namen, oder ich bekomm das Baby.

Das gelingt mit Glück und Erfindergeist, und am Ende dürfen sich alle in die Arme fallen. Nur das arme Rumpelstilzchen versinkt im Bühnenboden. Und hat beim großen Schlussapplaus doch die Herzen des Publikums ganz eindeutig auf seiner Seite. (mz)

„Rumpelstilzchen“ wird in folgenden Vorstellungen gezeigt: 1.Dezember, 16 Uhr; 9. Dezember, 10.30 Uhr und 14 Uhr; 20.Dezember, 18 Uhr; 24.Dezember, 10.30 Uhr; 25.12., 16 Uhr; 30.12., 15 Uhr; 2. Februar, 16 Uhr.

Rumpelstilzchen ist übrigens die 145. Märcheninszenierung am Anhaltischen Theater Dessau. Im Jahre 1812 gab es am Theater die erste Märchenaufführung, ab 1892 gab es regelmäßig jedes Jahr Inszenierungen, davor nur in unregelmäßigen Abständen.