Zeitungsgeschichte Zeitungsgeschichte: 250 Jahre Mitteilungsdrang

Dessau-Rosslau/MZ - Kann sich das langsame Herausbilden einer bürgerlichen Öffentlichkeit hierzulande vor 250 Jahren auf der Suche nach einem kleinen schwarzen Dachs-Hund mit vier gelben Füßen und einem weißen Stern vor dem Kopf begründen? Es kann! So kurios, wie diese Anzeige in der heutigen Retrospektive auch erscheinen mag, trug sie ihren Teil zur aufgeklärten Gesellschaft und zur Öffentlichkeit bei. Denn es war schon so etwas wie eine kleine Kulturrevolution in der Region, was im Mai 1763 als Fürstlich-Anhalt-Dessauische wöchentliche öffentliche Nachrichten erstmals verlegt wurde und sich bis heute wie ein roter Faden durch die Dessauer Zeitungslandschaft zieht.
Auf Spurensuche hat sich der MZ-Kulturredakteur Christian Eger begeben und am Dienstag dieses besondere Jubiläum in einem Vortrag in der Dessauer Abteilung des Landeshauptarchivs gewürdigt. „Es ist die langlebigste frühe, aber nicht die erste Zeitung, die in Anhalt erschienen war“, so Eger. Bereits zwei Jahrzehnte früher wurden die Zerbster Nouvelles verlegt. Nur noch zwei Ausgaben aus den Jahren 1742 und 1743 haben sich davon erhalten. Ganz anders beim Dessauer Nachrichtenblatt. Da sind die 66 Jahre bis zur Umwidmung in Herzoglich Anhalt-Dessauisches Wochenblatt komplett überliefert.
Anzeigenmonopol lag beim Staat
Die Gründung des ersten Dessauer Blattes fällt in eine Zeit, wo Fürst Franz Anhalt-Dessau grundlegend reformieren wollte. So sind die Bekämpfung der Bettelei, der Ausbau und Schutz der landschaftlichen und gärtnerischen Anlagen, die Begründung des Schulsystems und später auch die Aufführungen des Staatstheaters in Verordnungen erklärt und in Anzeigen zur Kenntnis gebracht.
„Die erste Dessauer Zeitung ist aber keine Zeitung im heutigen Wortsinn, sondern die erste Form des Amtsblattes“, erläutert Eger. Redaktionell bearbeitete Nachrichten fanden hier keinen Platz. Ein gutes Geschäft war es trotzdem. Damals hatte noch der Staat ein Anzeigenmonopol. Alle Anzeigen mussten zuerst dort veröffentlicht werden. Staatsdiener und Betreiber von Gasthäusern waren zudem verpflichtet, das Blatt zu abonnieren. Fürstliche Verordnungen, private Anzeigen und Preise für Getreide, Mehl, Brot, Bier und Fleisch machten das gerade mal vierseitige-kleinformatige Mitteilungsblatt aus. Mehr als einen Redakteur, in dem Fall den Akziserat, den geschäftsführenden Beamten der Steuerbehörde, brauchte es dazu nicht. Jede Ausgabe hatte eine Auflage von 300 Stück.
Unterhaltsames Schmökern
Einem Schmunzeln kann sich der heutige Betrachter beim Durchblättern von Nachdrucken der Zeitung nicht entziehen. Eger und auch Andreas Erb, der Leiter der Dessauer Abteilung des Landeshauptarchivs, sezieren an diesem Abend genüsslich das Potpourri aus den Rubriken Verkaufen, Vermieten, Verleihen und Verloren. „Das Unterhaltsame kommt dabei nicht zu kurz“, versichert der Kulturredakteur. Zwischen Dessau und Aken ist ein kleiner schwarzer Dachs-Hund verloren gegangen. In einer anderen Anzeige wird der Invalide Andreas Lübke gesucht, dem das Rathaus zwölf aus der Altmark überwiesene Reichstaler Gnadengehalt jährlich auszahlen würde, wenn man ihn denn hätte, tot oder lebendig. Der Direktor der Hauptschule, Gerhard Ulrich Anton Vieth, sucht „ein Thermometer, welches ich außen an mein Fenster gehängt hatte“. Das alles steht da schwarz auf weiß und muss im Gegensatz zu früher nicht mehr angeschlagen oder ausgerufen werden. Der Fürst lässt die Errichtung eines Arbeits- und Armenhauses, die Erhellung des Marktplatzes mit Laternen und die Halsbandpflicht für Hunde mitteilen. „Die Mitteilungen und Anzeigen öffnen von unserer Gegenwart aus sozusagen eine breite Fensterfront in die Dessauer Jahre um 1800“, so Egers Fazit.
Der roten Faden von 250 Jahren Zeitungsgeschichte mündet heute für den ursprünglich aus Dessau stammenden Journalisten nicht beim heutigen Anhalt-Kurier der MZ, sondern im Amtsblatt. „Zurecht könnte heute dort im Kopf statt 7. Jahrgang, 250. Jahrgang stehen“, so Eger. Viele lokale Anzeigen- und Nachrichtenblätter verschiedener Prägung kamen und gingen in den 250 Jahren. Eins haben sie gemeinsam, das gedruckte Papier. „Ob das zum 300. Geburtstag immer noch der Fall sein wird, steht doch sehr in Frage“, sieht Eger auf die Region wieder einen Kulturwandel zukommen.