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Wo keine richtige Freude aufkommen will Wo keine richtige Freude aufkommen will: Mit Gästebett im eigenen Haus

Von Carla Hanus 23.12.2002, 15:26

Dessau/MZ. - Günter und Edelgard Herzog waren in der Vorweihnachtszeit einfach nicht in der Stimmung, die Lichter anzuzünden und somit ein bisschen Freude zu verschenken. Sie wollten das Weihnachtsfest eigentlich schon in ihrem neuen Zuhause feiern, in dem Zweifamilienhaus, das sie mit ihrem Sohn in Waldersee gekauft haben. Doch statt des Umzuges kam das Hochwasser. Etwa 1,70 Meter hoch hat es auf dem Grundstück der Herzogs gestanden. "Da ist wirklich keinem von uns nach Weihnachten", sagt Günter Herzog.

Ebenso wenig weihnachtliche Besinnlichkeit kennt Klaudia Pannier aus der Wittenberger Straße in Waldersee in diesem Jahr. "Wir haben genug damit zu tun, die Handwerker zu managen", erklärt sie. Bis Mitte Oktober war ein Wohnwagen ihr Quartier, den Kollegen ihres Mannes nach Waldersee gebracht hatten. Dann wurde es jedoch zu kalt. So hat sie sich inzwischen in der oberen Etage ihres Hauses eingerichtet, wo normalerweise ihr Vater wohnt. "Es ist alles provisorisch", erzählt sie, "alles zusammengestellt." Aber für sie reicht es an den normalen Tagen trotzdem, denkt sie. Ihr Mann ist in der Woche nicht da, arbeitet in Buxtehude. Der Vater wird in Mildensee im Projekt "Betreutes Wohnen" umsorgt.

Zum Fest indes erwartet die Familie ihre erwachsenen Kinder. Mit Matratzen und Gästebett werde es schon gehen, hofft Klaudia Pannier. Immerhin ist schon Estrich in der unteren Etage. Somit wäre da die Möglichkeit, etwas vorübergehend reinzuräumen. Ob aber ein Weihnachtsbaum dazu gehören wird, das weiß sie nicht so genau. Bezüglich des Essens hat sie dagegen eine Entscheidung getroffen: "Wir geh'n in eine Gaststätte."

Der Gedanke an die Feiertage treibt Jutta Wenig Tränen in die Augen. Die Familie werde zusammensitzen, denkt sie. In der Rumpelkammer, wie die 73-Jährige ihr Zuhause gequält lächelnd nennt, weil ein Teil der Möbel aus der unteren Etage seit der Evakuierung ihrer Wohnung in der oberen Etage steht. "Da aber eh' die Wohnung unten nicht trocken ist, kommt nichts rein", betont sie und beruft sich auf den Schwiegersohn. Wenigstens für die 15-jährige Enkelin habe die Familie einigermaßen einen Platz hergerichtet. "Das Mädel muss doch noch lernen", sagt Jutta Wenig, "muss aber auch mal abschalten können."

Die Großmutter erinnert sich noch gut daran, wie die Enkelin mit dem Mountainbike Sandsäcke auf den Deich gefahren hat. Wie das Mädchen immer gehofft habe, dass der Wall halte und schließlich geweint habe, als die Katastrophe am 18. August hereinbrach. "Wir haben das Hochwasser 1954 und 1974 miterlebt", blickt Jutta Wenig zurück. "So verzweifelt wie jetzt war ich noch nie."

Dass sich ihr 76-jähriger Mann für die Deichwache interessiert, tröstet sie da wenig, eher beunruhigt sie der Gedanke ein bisschen. Doch dieser meint, dass er so lange helfen wolle, so lange er das könne. "Ich bin sowieso fast jeden Tag draußen", erzählt er. Wegen der Kaninchen. Diese waren übrigens auch evakuiert. Bei den Eltern des Schwiegersohnes in Süd hatten Wenigs die Tiere in der Garage untergebracht. Jetzt versorgt der rüstige Rentner sie daheim.

Zu Hause fühle sie sich in ihrer Wohnung nicht mehr, erklärt Monika Schmidt. Alles wirke wie vom Hochwasser bestimmt. Der Stress mit den Flutfolgen und die Angst, die selbst schon das Grundwasser im Keller weckt, lassen keine Freude aufkommen. "Richtige Weihnachten wird es wohl bei keinem Walderseer geben", vermutet sie.