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Hilfe für Ukrainer Weitere 100 Kriegsflüchtlinge in Dessau angekommen - Wie die Stadt das meistert

100 Flüchtlinge sind allein in der Nacht zum Freitag in der Dessauer Notunterkunft im Berufsschulzentrum angekommen, darunter Familie Ignatiuk. Ein Eindruck vor Ort.

Von Heidi Thiemann Aktualisiert: 12.03.2022, 15:17
Oxana und Andriy Ignatiuk mit ihren Kindern Mazgo (4), Daniel (13) und Artem (15) sind in Dessau angekommen. Ihre Heimatstadt Makariw im Oblast Kiew ist zerstört.
Oxana und Andriy Ignatiuk mit ihren Kindern Mazgo (4), Daniel (13) und Artem (15) sind in Dessau angekommen. Ihre Heimatstadt Makariw im Oblast Kiew ist zerstört. Foto: Heidi Thiemann

Dessau/MZ - Immer mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen in Dessau-Roßlau an. Allein in der Nacht zum Freitag sind 100 Frauen, Männer und Kinder in der Notunterkunft im Dessauer Berufsschulzentrum aufgenommen worden. 53 kamen mit zwei Bussen, 47 auf Privatinitiative, sagt Nadine Lathan, stellvertretende Sozialamtsleiterin. „Vor allem handelt es sich um Mütter mit Kindern.“

Die Busse waren gegen 3 Uhr angekündigt. Mitarbeiter des Sozialamtes nahmen die Menschen in aller Frühe auf. Alle wurden registriert sowie auf Corona getestet. Die Tests übernahmen Mitarbeiter des Städtischen Klinikums. Das Klinikum kümmert sich ebenfalls um die Versorgung der Menschen.

„Jetzt ist es erstmal wichtig, dass sie zur Ruhe kommen“, sagt Lathan am frühen Vormittag, während sie ununterbrochen telefoniert. Verschiedene Anliegen gilt es zu klären, die Menschen haben viele Fragen. Auch Larissa Wallner ist als ehrenamtliche Dolmetscherin an allen Ecken und Enden gefragt.

Nicht alle Ukrainer wollen in Dessau bleiben, etwas mehr als die Hälfte der Neuankömmlinge zieht noch am selben Tag weiter. Sie bekommen Proviant mit, Zugverbindungen werden für sie herausgesucht.

Viele große und kleine Probleme sind in Dessau zu lösen

Die, die in der Doppelstadt bleiben, sollen so schnell wie möglich in andere Unterkünfte vermittelt werden. Priorität haben Mütter mit Babys. Lathan ruft bei Familien an, die Privatunterkünfte angeboten haben. Steht das Angebot noch? Kann es sofort genutzt werden? Können eventuell auch Hunde und Katzen mit aufgenommen werden? Denn auch ihre Tiere wollten die Flüchtlinge nicht in der Heimat zurücklassen. Und vor allem, wie viele Personen können aufgenommen werden? Zu mancher Familie gehören elf Personen, sagt Dolmetscherin Wallner.

So tauchen immer wieder neue Dinge auf, die geregelt werden müssen. Anfang der Woche, sagt Katrin Kuhnt, Referatsleiterin des Oberbürgermeisters, werden noch zusätzliche Toiletten besorgt, denn die Anlagen in der Turnhalle sind für so viele Menschen nicht ausreichend.

Wichtig ist auch ein Kühlschrank, in dem vor Ort Lebensmittel gelagert werden können, ebenfalls Trennwände, damit in der riesigen Halle etwas Privatsphäre für die Menschen ermöglicht werden kann. Auch Wlan soll unbedingt noch schnell installiert werden, denn viele fragen danach. Die Verbindung in die Heimat soll nicht abbrechen.

Auch Familie Ignatiuk ist regelmäßig im Kontakt mit der Heimat. Die fünfköpfige Familie ist aus Makariw im Oblast Kiew geflohen. „Unsere Stadt ist zerstört, die Menschen wurden evakuiert. Es gibt nichts mehr - keine Schule, keine Apotheke, kein Strom, kein Wasser“, zählt Oxana Ingnatiuk auf. Auch ihr Haus ist zerstört. Deshalb sind sie und ihr Mann Andriy mit ihren Kindern Mazgo (4), Artem (15) und Daniel (13) mit dem Auto geflohen.

Drei Tage waren sie unterwegs. Zurück blieb die Oma. „Sie wollte nicht mitkommen“, sagt die junge Frau, deren Gedanken sich unablässig um ihre Heimat drehen. „Wir wären auch geblieben. Wir sind aber wegen unserer Kinder gefahren.“ Wie sollen sie in der Zerstörung aufwachsen und lernen können? Die Kinder sind sportlich, Turniertänzer, Kunstturner. Die Trainingsstätten gibt es nicht mehr.

Von Bomben getroffen: Die Heimat von Familie Ignatiuk.
Von Bomben getroffen: Die Heimat von Familie Ignatiuk.
Foto: Ignatiuk

„Wir wollen gerne zurück“, erzählt Oxana Ignatiuk und zeigt auf ihrem Smartphone viele idyllische Aufnahmen aus ihrer Heimat. Hügelige Landschaft, saftige Wiesen, Wasserfälle. Die Familie beim Ausflug. Nun ist die Idylle zerstört. Die dreifache Mutter weiß nicht, ob es dort noch eine Zukunft für sie gibt.

Stadt bittet um Sachspenden - Anlaufpunkt ist die Volkshochschule in der Erdmannsdorffstraße

„Ich bewundere die Menschen, die den langen Weg hinter sich haben“, sagt Oberbürgermeister Robert Reck und zeigt sich am Freitag beeindruckt in der Notunterkunft. Tief beeindruckt sei er aber auch von der großen Solidarität der Bevölkerung und davon, wie professionell die Aufnahme der Flüchtlinge in Dessau-Roßlau erfolgt. „Wir kriegen das gemeistert“, ist er sich sicher.

Um die Versorgung der ankommenden Menschen abzusichern, hat die Stadt am Freitag die Bürger zu Sachspenden aufgerufen. Benötigt werden waschbare Decken und Kissen (keine Federbetten), Kissenbezüge sowie Kinderreisebetten. Die Spenden werden am Sonnabend, 12. März, von 8 bis 12 Uhr, und am Montag, 14. März, von 8 bis 18 Uhr in der Volkshochschule Dessau, Erdmannsdorffstraße 3, entgegen genommen.