Weiß verhüllter Meilenstein Weiß verhüllter Meilenstein: Molinari Rail Systems in Dessau hat Nische gesucht - und gefunden
Dessau - 21 Meter lang war der gelbe Stahlkasten und mit einer dicken weißen Hülle vor neugierigen Blicken geschützt. Der Auftraggeber aus Österreich wollte das so. Am Stolz der Dessauer konnte das aber nichts ändern. „Dieser Tag in der vorigen Woche“, sagt Jörg Werner, Betriebsleiter der Molinari Rail Systems GmbH in Dessau, „war für uns ein richtiger Meilenstein.“
Im November 2016, vor etwa zweieinhalb Jahren, hatte mit Molinari ein chinesisch-schweizerisches Gemeinschaftsunternehmen die insolvente Fahrzeugtechnik Dessau GmbH übernommen. Es war der vierte Neuanfang an dem traditionsreichen Waggonbau-Standort im Norden der Stadt. Vorige Woche ging von dort der komplette Wagenkasten für einen speziellen Fräßzug, eine Arbeitsmaschine auf Schienen, auf Reisen. Es gibt einen Rahmenvertrag über zehn dieser stählernen Hüllen. Die ersten beiden wurden ausgeliefert.
Der Auftrag zeigt: Die Molinari Rail Systems GmbH hat ihre Nische gesucht - und gefunden. „Dessau soll keine eigenen Züge herstellen. Dessau soll ein reiner Dienstleister sein“, sagt Jan Harder, Geschäftsführer von Molinari Rail Systems GmbH. Für Molinari, aber auch für andere Anbieter der Schienenfahrzeugbranche.
75 eigene Mitarbeiter hat das Unternehmen heute
Mit 48 Mitarbeitern war die Molinari Rail Systems GmbH im November 2016 in Dessau gestartet. „Die Integration in die Molinari-Gruppe ist abgeschlossen. Mit Willen, mit Kraft und mit guten Partnern haben wir unsere Stabilität gefunden“, zieht Harder Bilanz.
75 eigene Mitarbeiter hat das Unternehmen heute, dazu kommen zwölf Zeitarbeiter. Vor eineinhalb Jahren hatte Hader 100 Mitarbeiter als Ziel ausgegeben. „Wir sind da auf einem guten Weg. Wir sind zufrieden mit der Entwicklung, die der Standort Dessau genommen hat.“
Fünf Millionen Euro Umsatz hat die Molinari Rail Systems in Dessau 2018 geschafft. Nach 2016 ist es stetig nach oben gegangen. Sechs bis sieben Millionen Euro Umsatz sollen es 2019 werden.
„Unsere Partner in Fernost haben immer alle finanziellen Zusagen eingehalten“
Es sieht gut aus. „Wir werden im Markt wahrgenommen. Wir haben viele längerfristige Projekte gestartet, um unabhängiger zu werden. Wir haben schon Anfang März die Hälfte des geplanten Jahresumsatzes drin“, bestätigt Hader. Man schaue sich auch deshalb aufmerksam nach neuen Leuten um - und bilde auch wieder selbst Mechatroniker aus.
All das macht die ehemaligen Waggonbauer optimistisch, auch wenn natürlich nicht alles rosarot gesehen wird. Das groß gefeierte Joint-Venture mit China hat noch nicht die erhofften Ergebnisse gezeigt. Der chinesische Geschäftsführer in Dessau hat wieder Abschied genommen. Der Kontakt läuft jetzt direkt über China. „Unsere Partner in Fernost haben immer alle finanziellen Zusagen eingehalten“, sagt Harder zwar. Der Zugang zum chinesischen Markt bleibt aber schwierig. „Wir hatten da auf das eine oder andere Geschäft gehofft.“ Das Ziel besteht weiterhin. Allerdings ohne konkrete Prognose.
Große Hoffnungen ruhen unabhängig davon auf einem Akku-Powerpack
Und auch wenn sich auf dem Waggonbau-Gelände viel getan hat, der Reparaturstau abgebaut wurde, ein Problem bleibt: In der großen Waggonbau-Halle wurde die Produktion zwar im vorderen Bereich konzentriert. Doch die Halle an sich, das Gelände drumherum, all das ist weiter zu groß für die mittelständische Firma. „Es wäre gut, wenn es mal ein Förderprogramm geben würde, um Teile eines Grundstücks stillzulegen“, wünscht sich Harder. Zukunft per Schrumpfung.
Große Hoffnungen ruhen unabhängig davon auf einem Akku-Powerpack, das die Rail Care AG für den eigenen Bedarf entwickelt hatte und das mit Hilfe von Molinari so weiter entwickelt wurde, dass man nun für die verschiedensten Anbieter Angebote machen und Vermarktung und Service übernehmen will.
Vereinfacht gesagt, entsteht die benötigte Kühlenergie für Kühlwaggons beim Drehen der Räder und wird in den Powerpacks so gespeichert, dass die Waggons auch dann gekühlt werden, wenn sie stehen. Vor allem beim Transport von Lebensmitteln und Frischgut wird so die Kühlkette gehalten.
Molinari für den Innovationspreis 2018/19 des Bahn-Media Verlags nominiert
Ohne die bislang benötigten lauten und wenig umweltfreundlichen Diesel-Kühlaggregate. Bei einem Test in der Schweiz konnten bei 40 Kühlwaggons in einem Jahr vier Millionen Liter Diesel eingespart werden. Das Projekt ist auch wirtschaftlich interessant.
„Mit den Kühlakkus schließt sich vielleicht der Kreis der Geschichte“, sagt Jörg Werner. Und der Molinari-Werkleiter in Dessau wirkt selbst erstaunt. Waggonbau Dessau war einst weltbekannt für seine Kühlwaggons. 30 Jahre später forscht Dessau wieder an Kühltechnik für den umweltfreundlichen Eisenbahngüterverkehr.
Mit Erfolg: Molinari wurden mit dem Powerpack für den Innovationspreis 2018/19 des Bahn-Media Verlags in der Kategorie Komponenten und Ausrüstung nominiert. Gerade war man auf der Innotrans, dem größten Branchentreffen für den Schienenfahrzeugbau weltweit. Das Interesse der Kunden war groß. Das Powerpack könnte ein neuer Trumpf werden. Made in Dessau. (mz)