Fit für die Zukunft Warum die Brezelbäckerei Ditsch mit dem Roßlauer Bildungsträger ABE kooperiert
Welche Chancen bietet das für die Mitarbeiter?

Roßlau/Oranienbaum/MZ - „Die brennen richtig für die Sache und sind total aufgeschlossen“, sagt Christfried Kreideweiß über die sechs künftigen Maschinen- und Anlagen-Führer der Brezelbäckerei Ditsch, die er gegenwärtig mit ausbildet. Kreideweiß ist Mitarbeiter der Akademie für berufliche Entwicklung (ABE) in Roßlau. Und die hat seit dem vergangenen Jahr bereits 15 Maschinen- und Anlagen-Führer für Ditsch fit für die Zukunft gemacht.
Solche Fachleute sind rar auf dem Markt, sagt Sophia Seemann, die bei Ditsch für den Bereich Personalgewinnung und -entwicklung verantwortlich ist. Insgesamt 540 Mitarbeiter hat der Brezelbäcker an seinem Standort in Oranienbaum angestellt, allein von Februar bis Juni gab es 40 Neuanstellungen. „Doch Stand jetzt haben wir 168 offene Stellen.“ Vor allem in der Produktion wird Verstärkung gesucht.
In diesem Jahr ist bislang ab August nur eine Ausbildungsstelle besetzt
Mittlerweile zehn Produktionslinien hat Ditsch im Oranienbaumer Werk, die im Drei- beziehungsweise Vier-Schicht-Betrieb laufen. Auch übers Wochenende stehen Anlagen nicht still. Denn die Pandemie hat der Brezelbäcker verhältnismäßig gut überstanden. Nicht mehr nur im Großhandel werden die Produkte vermarktet, sondern jetzt auch im Einzelhandel, sagt Seemann zur positiven Entwicklung. Und das mache Hoffnung, dass das Werk sich auch weiterentwickeln werde, dass neue Linien und Produkte hinzukommen. Doch dazu braucht es Mitarbeiter - und die sind schwer zu finden.
Zum einen bildet Ditsch selber aus. Im vergangenen Jahr konnten zwei Industriekaufleute, zwei Mechatroniker und eine Fachkraft für Lebensmitteltechnik ihre Lehre aufnehmen. Doch in diesem Jahr ist bislang ab August nur eine Ausbildungsstelle besetzt. Im Internet macht die Firma auf sich aufmerksam, nimmt an Messen teil - die wegen Corona derzeit nur digital abgehalten werden konnten -, hat ihr Angebot außerdem bei der Agentur für Arbeit gelistet. Auch am Girls- und Boys-Day nimmt die Firma teil. In diesem Jahr aber hatte sich kein Interessent gemeldet.
Die zweite Möglichkeit neben der Ausbildung, eigene Mitarbeiter heranzuziehen und fit zu machen, ist die mit der Roßlauer ABE
Seemann weiß, wer bei Ditsch arbeiten will, muss mobil sein mit Auto oder Moped. „Die Busverbindung fehlt. Gerade für Auszubildende und Produktionshelfer ist das ein Handicap“, stellt sie fest. Das Problem zu lösen ist noch nicht gelungen. Viele Mitarbeiter organisieren sich selbst und bilden Fahrgemeinschaften.
Die zweite Möglichkeit neben der Ausbildung, eigene Mitarbeiter heranzuziehen und fit zu machen, ist die mit der Roßlauer ABE. „Wir haben zusammen ein Projekt entwickelt“, sagt Monika Gehrbrandt, Geschäftsführerin der ABE zur Kooperation.
Die hatte sich ergeben, nachdem sich der Brezelbäcker und weitere Firmen an die Arbeitsagentur gewandt hatten mit der Bitte, ob nicht mit einem Bildungsträger passgenaue Maßnahmen zur Qualifizierung auf den Weg gebracht werden könnten. Die Roßlauer wurden hellhörig. 2018 gab es erste Gespräche, Anfang 2020 ging es los. Doch schon vor der speziellen Ausbildung für Ditsch hatte ABE erfolgreich Praktikanten dorthin vermittelt.
„Wir brauchen Leute, die für unsere Produkte und Produktion genauso brennen wie wir“
„Wir brauchen Leute, die für unsere Produkte und Produktion genauso brennen wie wir“, erklärt Seemann, „egal, ob sie 25 oder 55 sind.“ Jeder, der wolle, bekomme eine Chance und könne sich im Unternehmen auch weiterentwickeln. „Wir sind Möglichmacher“, sagt sie dazu. Vermehrt auch werden Arbeitskräfte aus dem Ausland gewonnen, vielfach aus dem osteuropäischen und arabischen Raum. Die Mitarbeiterschaft ist längst international.
Das ist auch der Fall bei den sechs in Ausbildung befindlichen Maschinen- und Anlagenführern: Stanislav Milev, Patrycja Rozputynska, Krystian Krystofowicz, Kamal Hakimii, Usama Ajawi und Alesmail Hosam. Sie kommen aus Bulgarien, Polen, Afghanistan, Palästina und Syrien. Alle leben schon mehrere Jahre in Deutschland. Zum Teil arbeiteten sie schon bei Ditsch über eine Zeitarbeitsfirma. Zum Teil auch haben sie in der Firma Freunde oder Bekannte, die von der Arbeit schwärmten, und haben sich daraufhin auch hier beworben.
Dass sie jetzt das Entwicklungsprogramm von Ditsch mitmachen können, macht sie stolz. „Ich habe schon in verschiedenen Firmen gearbeitet. Aber hier habe ich wirklich Interesse an mir gespürt“, erklärt Usama Ajawi.