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Bild von 1800 Warum das „Mädchen mit der Taube“ nach 70 Jahren aus Mosigkau ins Schloss Luisium zieht

Von Danny Gitter 25.06.2021, 16:15
Wolfgang Savelsberg (li.) und Uwe Quilitzsch vor dem Gemälde an dem neuen alten Standort.
Wolfgang Savelsberg (li.) und Uwe Quilitzsch vor dem Gemälde an dem neuen alten Standort. (Foto: Ruttke)

Waldersee - Das Porträt der jungen Dame mit dem Strohhut und der Taube vor dem Dekolleté hängt wie selbstverständlich im Schloss Luisium, als ob es da schon immer gewesen wäre. War es aber nicht. Wenn Wolfgang Savelsberg und Uwe Quilitzsch von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz die Geschichte des Bildes erzählen, dann ist das eine vergnügliche Zeitreise durch die vergangenen zwei Jahrhunderte.

Als „Dessauisches junges Mädchen mit Taube“ hat sie Karl Simon Morgenstern einst in seinem Tagebuch beschrieben. Der Professor für Philologie und Altphilologie, der an der Universität Dorpat im heutigen Lettland einen Lehrstuhl hatte, besuchte im Sommer 1800 die Region Dessau. Das Schloss Luisium war eine seiner Stationen. In seinem Tagebuch machte er sich Notizen zum Schloss und dem Inventar.

Altes Tagebuch landet bei Kunsthistoriker Erhard Hirsch

Dieses Tagebuch fiel irgendwann dem bekannten Kulturhistoriker Erhard Hirsch in die Hände. Er war in der Nachkriegszeit die Instanz zur Erforschung der Geschichte und kulturhistorischen Bedeutung des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs. Einen Großteil des Tagebuchs von Morgenstern konnte Hirsch entziffern. Einige Passagen aber blieben auch für ihn unleserlich.

Jahrzehnte später nahm sich Uwe Quilitzsch dieser Aufgabe an. „Ich habe viele Anläufe genommen und es dann doch entschlüsseln können“, erzählt der Archivleiter der Kulturstiftung. „Schlafzimmer... blaßgrün.. Ein Dessauisches junges Mädchen mit einer Taube von Lisiewsky“, entzifferte Quilitzsch unter anderem.

Lisiewsky war im späten 18. Jahrhundert Hofmaler des Fürsten von Anhalt-Dessau. Für Quilitzsch war die Quellenangabe daher authentisch. Er fragte sich nur, wo das beschriebene Gemälde abgeblieben ist. Im Luisium hing es nachweislich nicht.

Im Sommer 2020 erfuhr er in einem Gespräch mit Kristina Schlansky, die im Schloss Mosigkau arbeitet, dass exakt dieses Bild im dortigen Schloss zu finden ist. Doch wie landet ein dem Luisium zugeordnetes Bild in Mosigkau? Quilitzsch hat versucht, das Rätsel mit Wolfgang Savelsberg, Leiter der Schlösser und Sammlungen der Kulturstiftung, zu rekonstruieren. Beide erklären sich das mit den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs - und der Kulturpolitik der DDR.

Viele Kunstwerke waren 1945 aus Angst vor Bombardements auf Reisen in sichere Verstecke gegangen. Nach dem Krieg kehrten nicht alle an ihren Platz zurück. Dass das Dessauische junge Mädchen nicht wieder im Luisium landete, begründet Quilitzsch mit der Kulturpolitik der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR. „Man wollte damals der Aristokratie abschwören und stellte das Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das Luisium wurde zu einem Museum der Kunst der Goethezeit“, erläutert Quilitzsch. „Es liegt aber sehr viel Barock im Motiv des Mädchens mit Taube. Da war es im Rokoko-Schloss Mosigkau gut aufgehoben“, vermutet Savelsberg.

Die Kulturstiftung hat sich aber trotzdem entschlossen, das Bild nach 70 Jahren im Mosigkauer Exil wieder an seinen Ursprungsort zurückzubringen. Das Schlafzimmer im Luisium existiert nicht mehr. Aber im Gesellschaftszimmer im Luisium hat es seit diesem Frühjahr einen ebenso guten Hängeort gefunden.

Fragen nach dem Mädchen bleiben - Vorbild hängt im Mecklenburgischen Landesmuseum

Bleibt nur noch die Frage zu klären, ob es sich bei der Dame tatsächlich um ein „Dessauisches Mädchen“ handelt? „Das Bild kann sowohl eine tatsächliche Person als auch eine erotische Fantasie darstellen“, schätzt Savelsberg. Der Maler Lisiewsky war dafür bekannt, gut kopieren zu können. Ein Vorbild für dieses Motiv hänge im mecklenburgischen Landesmuseum. Verbindungen in diese Region von Lisiewsky lassen sich nachweisen. So kann das von Morgenstern beschriebene „Dessauische junge Mädchen mit Taube“ auch eine Schönheit aus dem Norden darstellen oder es stellt die idealtypische Frau des ursprünglichen Schöpfers dar.

Was immer es ist, für Savelsberg ist es „ein vorzügliches Porträt mit starker erotischer Komponente“. Für andere Kunstliebhaber ist es vielleicht auch ein Grund mal wieder die Kunstausstellung im Luisium zu besuchen.

Das Schloss Luisium im Dessauer Vorort Waldersee hat wieder von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.