Vom Träumer zum Pionier Vom Träumer zum Pionier: Johannes Winkler forschte für Junkers in Dessau an Raketen

Dessau - Johannes Winkler war ursprünglich Theologe, interessierte sich nebenbei für die Raumfahrt und realisierte seine Raketenträume zunächst in Hugo Junkers’ Versuchsanstalt in Dessau und später an der Forschungsanstalt für Luftfahrt in Braunschweig.
Damit erreichte der Raumfahrtpionier auch über seinen Tod vor genau 70 Jahren hinaus eine beträchtliche Nachwirkung. Sein Kollege Heinz Gartmann aus Dessau setzte ihm in seinem Werk „Träumer – Forscher – Konstrukteure“ mit anderen Raketenforschern ein literarisches Denkmal.
Hürdenreicher Weg zum Raketenforscher
Winkler wurde 1897 in Bad Carlsruhe im schlesischen Kreis Oppeln geboren. Er absolvierte dann das Gymnasium in Liegnitz, wobei er sich früh der Lektüre utopischer Bücher widmete. Doch der Weg vom Träumer zum Forscher und Konstrukteur einer Rakete war hürdenreich. Zunächst erschloss er sich die Geschichte von Raketen, die wohl Anfang des 13. Jahrhunderts in China begann, wo aus anfänglichen Brandpfeilen einfache Schwarzpulver-Stab-Raketen entwickelt wurden.
Diese Erfindung gelangte über die kriegerischen Auseinandersetzungen auch nach Europa. Italienische Techniker bezeichneten die sensationelle Waffe als „rocchetta“. Daraus wurde das Wort „Rakete“, die als Waffe per Raketenartillerie durch britische Truppen auch bei der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 eingesetzt wurde. Angesichts der Fortschritte in der Geschütztechnik stagnierte im 19. Jahrhundert die Raketenforschung. Das änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der Raumfahrtgedanke weckte die technischen Träumer. Winkler, der den Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger mit einer schweren Verwundung überlebte, studierte nach Kriegsende zunächst in Danzig Maschinenbau. Dann aber musste er auf Wunsch seiner Eltern an den Universitäten von Breslau sowie Leipzig Theologie studieren.
Johannes Winkler war Theologe mit Hang zur Raumfahrttheorie
Danach begann der Hobby-Techniker eine kirchliche Laufbahn. Ab 1924 war er in der Kirchendirektion von Breslau Finanzverwalter. Nebenbei widmete sich der Theologe mit Gleichgesinnten der Raumfahrttheorie. Er gab die Zeitschrift „Die Rakete“ heraus, gründete in Breslau den „Deutschen Verein für Raumschifffahrt“ und unternahm ab 1928 an der Technischen Hochschule erste eigene Experimente.
Ein Theologe, der per Rakete in den Himmel wollte. Das sprach sich herum. Ein anderer Technikpionier wurde neugierig: Hugo Junkers, der Chef der „Junkers Flugzeugwerke AG“, unter dessen Führung in Dessau zwischen 1919 und 1932 insgesamt 30 neue Flugzeugtypen entwickelt wurden.
Junkers interessierte auch die Raketentechnik. Er holte Winkler, der 1926 Elisabeth Froböß geheiratet hatte, 1929 nach Dessau, wo der Schlesier neuartige Zusatztriebwerke für die Junkers-Flugzeuge und ein neues Konzept für einen Flüssigkeitsantrieb für Raketen entwickelte. Dabei pflegte er über seine Zeitschrift als Zentralgestalt der deutschen Raketenträume den Kontakt zu Gleichgesinnten in aller Welt. Winkler wusste vom ersten erfolgreichen Raketenstart des Amerikaners Robert Hutchings Goddard. Das motivierte ihn zusätzlich.
1931 erfolgte auf dem Junkers-Gelände der erste erfolgreiche Flug einer Flüssigkeitsrakete
Er erkannte die Vorteile des flüssigen Treibstoffes, konzentrierte seine Arbeit auf eine Flüssigkeitsrakete und startete im Februar 1931 einen ersten Testflug, der aber noch nicht erfolgreich war. Seine Experimente wurden von Hugo Junkers und Hugo Hückel, ebenfalls technikbegeisterter Unternehmer, mit großzügigen Finanzspritzen unterstützt.
Am 14. März 1931 erfolgte auf dem Junkers-Betriebsgelände in Dessau dann der erste erfolgreiche Flug einer Flüssigkeitsrakete. Sie erreichte eine Flughöhe von über 60 Meter und flog über 300 Meter weit. Aus dem Träumer war ein erfolgreicher Konstrukteur geworden.
Die erste europäische Flüssigkeitsrakete erhielt den Namen „H W 1“ (Hückel-Winkler-Rakete). Damit bedankte sich der Raketenpionier beim Hauptfinanzier. Winkler, Hückel und Junkers waren jedoch keine Nazis und verweigerten sich deren Kriegsvorbereitung.
Museum in Peenemünde erinnert an den Raketen-Pionier Johannes Winkler
Junkers starb nach völliger Entmachtung durch die Nazis 1935. Winkler befasste sich bis 1939 in Dessau mit der Weiterentwicklung von Flüssigkeitstriebwerken, wechselte an die Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt in Braunschweig und war bis Ende des Zweiten Weltkrieges an der Versuchsanstalt in Göttingen. Er überlebte den Krieg und starb 1947 in Braunschweig, wo in der Bevenroder Straße 143 bis zuletzt seine Wohnung war.
Heute wissen nur wenige Fachleute von Winklers Pionierleistung, auf die die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde unter Wernher von Braun mit Flüssigkeitsgroßraketen aufbaute, die dann in die V-Waffen mündeten. In Peenemünde gibt es ein Museum, das an die Raketenforschung und auch an Johannes Winkler erinnert. 1970 wurde ein Mondkrater nach Winkler benannt. (mz)
