Vom Jubiläum in die Krise Vom Jubiläum in die Krise: Bauhaus in Dessau wieder geöffnet - Besucherandrang bleibt noch aus
Dessau - Die Kunst liegt bekanntlich im Auge des Betrachters - aber eben diese Betrachter sind momentan nicht da. „Die Dessauer kennen das Bauhaus. Was fehlt ist der Tourismus“, erklärt Ute König, Pressesprecherin der Stiftung Bauhaus Dessau. Durch die coronabedingten Schließungen waren auch die historischen Bauhausbauten fast zwei Monate geschlossen.
Seit Dienstag können Besucher sowohl das Bauhausgebäude, das Bauhaus Museum Dessau, als auch das Konsumgebäude in der Siedlung Dessau-Törten besichtigen. Die MZ war am Öffnungstag vor Ort und hat sich umgesehen. Mit einem Mund-Nasen-Schutz geht es nun ins Bauhaus. Wie fast überall heißt es erst einmal am Eingang: Hände desinfizieren.
Vor Ort geben nun die Absperrbänder den Weg vor. „Sonst konnte man sich hier überall frei bewegen, das musste nun eingeschränkt werden. Die Besucher werden jetzt durch das Haus geleitet“, erklärt König.
Über das normale Treppenhaus im Bauhaus führt derzeit kein Weg nach oben
Über das normale Treppenhaus führt derzeit kein Weg nach oben. Stattdessen wurde das hintere Treppenhaus am berühmten Bauhaus-Schriftzug für die Besucher geöffnet. Dies sei sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Damit wolle man vor allem Besucheransammlungen vermeiden. Auch der offene Blick in die Aula ist ein seltener, aber umso beeindruckender.
Einige Bereiche wie etwa die interaktiven Stationen, an denen jeder sonst die Kunst selbst erleben und ausprobieren kann, sind gesperrt. Ebenso auch die Sitzmöglichkeiten. Etwa zehn Besucher waren am Dienstagvormittag im Bauhaus. Im Museum waren es einige mehr. Ein ruhiger Start. Für Mitarbeiter und Gäste eine ungewohnte Situation. „Letztes Jahr zum Jubiläum waren fast zehn Gruppen gleichzeitig hier“, erinnert sich König. „Das ist jetzt natürlich nicht so.“
Bauhaus-Rundgang statt Urlaub in Amerika
Vom großen Jubiläumsjahr ging es direkt in die Krise. Wegen der Corona-Pandemie ist der Tourismus derzeit still gelegt. Und dennoch gab es Neugierige am Dienstag. „Wir wären jetzt eigentlich für vier Wochen in den USA. Das ist ja nicht ganz weit weg vom Bauhaus“, scherzt das Ehepaar Schönherr. Beide, Antje und Andreas Schönherr, sind zum ersten Mal in ihrem Leben im Bauhaus in Dessau. Sie sind extra dafür aus Dresden angereist. Den geplanten Urlaub für den Amerika-Trip nutzen sie nun etwa, um die regionale Umgebung kennenzulernen.
Und wie ist der erste Besuch im Bauhaus in Zeiten von Corona? „Eigentlich sehr angenehm. Wenig Leute, kein Gedränge. Wir können uns alles in Ruhe anschauen“, erzählt Andreas Schönherr. Zuvor haben sich beide bereits die Ausstellung im Bauhaus-Museum angeschaut.
Am Abend ging es für das Ehepaar zurück nach Dresden. Eine Übernachtung im Hotel ist derzeit nicht gestattet. Den Weg nach Dessau nahmen beide trotzdem auf sich. „Vieles vom Bauhaus kennt man ja heute noch aus dem Alltag. Das wollten wir uns auch vor Ort mal anschauen“, erzählt das Ehepaar. Mit einem Mund-Nasen-Schutz und desinfizierten Hände gingen beide am Dienstag als eine der ersten Besucher einen etwas anderen Weg durch das Bauhaus.
Die Bauhaus Dessau App bietet pünktlich zur Wiedereröffnung zwei neue Module, die auch den individuellen Besuch des Bauhaus Museums Dessau bereichern. Eine 30-minütige Audiotour führt durch die Ausstellung.
Mit Hilfe von Augmented Reality (AR) wird das Bauhaus-Spiel „Aktive Linie“ visualisiert. Damit werden die eigenen Bewegungen als eine Art Zeichenspur sichtbar. So hinterlassen die Besucher virtuelle Spuren im realen Raum, die anderen als Anregung für ihre eigene Bewegungskunst dienen können.
Darüber hinaus bieten die „Zeichen-Kits“ die Möglichkeit, das Bauhausgebäude und das Bauhaus Museum Dessau über Stift und Papier zu entdecken. Dies kann kostenlos erworben werden.
Keine lange Wartezeiten, und der klare Blick auf die Architektur
Diese neugewonnene Ruhe zeigt auch eine positive Wirkung: Keine lange Wartezeiten, und der klare Blick auf die Architektur. Und genau das etwa empfiehlt Ute König den Dessauern zu nutzen. „Das kann man auch als Chance sehen, um sich die Architektur einmal in Ruhe anzuschauen. Das kann eine ganz andere Wahrnehmung sein.“
Die Kreativität hat hier jedenfalls keine Pause. Besucher können sich beispielsweise auch selbst als große Künstler in den Räumen versuchen. An der Kasse im Bauhaus erhalten Interessierte kostenlos ein so genanntes „Zeichen-Kit“. Mit Stift und Papier gewappnet, könnte es dann etwa durch die Werkstätten, oder Lehrräume gehen. Aber auch die berühmten Fenster geben ein gutes Motiv ab. Wer weiß, vielleicht entpuppt sich unter den Besuchern schon bald ein neuer Walter Gropius? (mz)