Virtuelles Wohnzimmer für die Stadt Virtuelles Wohnzimmer für die Stadt: Designerin will Dessau-Roßlau lebenswerter machen

Dessau - An Dessau-Roßlau gibt es immer etwas rumzunörgeln. Das hat auch Julia Roder mitbekommen, die von einer Kleinstadt bei Chemnitz vor sechs Jahren zum Studium hierher zog. Die angehende Designerin wollte auch für ihre Masterarbeit genau wissen, was den Doppelstädtern an der Stadt denn so besonders missfällt.
Über Facebook führte sie von Ende Januar bis Mitte Februar eine Umfrage durch. Über 320 Antworten aus allen Altersklassen erreichten sie. Junge Menschen beklagten vor allem die Langeweile und wenig Freizeitangebote für ihre Alterskohorten. Von jung bis alt zog sich Unbehagen über viele brachliegende Grundstücke und den Stadtpark sowie Hauptbahnhof.
Letztere gelten als Hotspots der Kriminalität. Das ist die eine Seite der Medaille. Doch die Befragten nörgelten nicht nur. Sie lobten durchaus auch das viele Grün, die kurzen Wege und berichteten auch über Heimatgefühle, die sie mit Dessau-Roßlau verbinden.
Die Stadt mit einfachen Mitteln zu einem besseren Ort machen
„Wie man die Stadt mit einfachen Mitteln zu einem besseren Ort machen kann, das interessiert mich“, sagt Roder. Aufbauend auf ihrer kleinen Studie, wollte die angehende Designerin für ihre Abschlussarbeit einen Raum in der Dessauer Innenstadt finden, in dem ganz unterschiedliche Leute zusammenkommen sollten, um gemeinsam Ideen für Dessau-Roßlau zu entwickeln.
„Wenn zum Beispiel ein Künstler Möglichkeiten sucht, seine Kunst zu präsentieren, wäre es ja durchaus denkbar, dass eine Café-Besitzerin Interesse hätte“, erklärt die Master-Studentin. Viele dieser kleinen Win-Win-Situationen könnten aus ihrer Sicht dazu beitragen, die Stadt zu einem noch besseren Ort zu machen. Doch dann kam das Corona-Virus und machte erst einmal alles zunichte. Denn sich irgendwo im öffentlichen Raum zu treffen, ist erst einmal tabu.
Zusätzlich soll im digitalen Dessauer Wohnzimmer ein Gut-scheinshop aktiviert werden
Doch die Designerin ließ sich davon nicht entmutigen und will auf Umwegen doch noch ans Ziel kommen. Ihr aktuelles Projekt ist ein digitales Wohnzimmer. Unter www.wohnzimmer-dessau.de wird es gerade eingerichtet. „Hierüber will ich die Menschen mit meinem Anliegen vertraut machen“, sagt Roder.
Noch ist alles im Aufbau begriffen. Doch wenn es erst einmal läuft, dann finden die Besucher der Seite unter anderem eine Pinnwand, auf der sie Gedichte, Gedanken zum Tag, aber auch Jobangebote- und Gesuche oder ehrenamtliche Sachen posten können. Bereits jetzt ist eine PDF-Datei zum Ausdrucken abrufbar, die einen Aushang mit verschiedenen Hilfsangeboten für Nachbarn bereithält.
Zusätzlich soll im digitalen Dessauer Wohnzimmer ein Gut-scheinshop aktiviert werden. Dort können sich lokale Gewerbetreibende anmelden und Gutscheine für ihre Dienste und Waren anbieten. Gutscheinkäufer können diese dann verschenken oder selbst einlösen.
Auch ihre eigene Zukunft sieht die 23-jährige Sächsin durchaus in der Bauhausstadt
„Damit kann auch in der Krise die lokale Wirtschaft ein wenig gestützt werden“, erklärt die angehende Designerin die Idee. Große nationale und internationale Ketten sollen davon ausgeschlossen werden. „Das digitale Wohnzimmer ist auch der Startschuss für einen realen Raum, der nach der Krise im Dessauer Zentrum eingerichtet werden soll“, blickt Julia Roder schon einmal voraus.
Auch ihre eigene Zukunft sieht die 23-jährige Sächsin durchaus in der Bauhausstadt. „Dessau ist in den vergangenen sechs Jahren so etwas wie eine Heimat für mich geworden. Ich mag das Grün, die Übersichtlichkeit und das man alles, was man braucht, vor Ort hat. Wenn man doch mal nach ausgefalleneren Sachen sucht, ist man ja auch schnell in Leipzig“, stellt sie fest. (mz)
Weitere Informationen zum Projekt auf der Homepage: www.wohnzimmer-dessau.de
