Viel gelernt und Vorurteile abgebaut
Dessau/MZ. - Die beiden Schülerinnen leiteten am Freitag zum Abschluss der Projektwoche "Religion ist Kult-ur" im Speisesaal des Gymnasiums das Gespräch mit Helge Klassohn von der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Sie und ihre Mitschüler erlebten einen Kirchenpräsidenten zum Anfassen, der ihnen auf religiöse, gesellschaftspolitische aber auch auf ganz persönliche Fragen Antwort gab.
40 Schüler der Klassen zehn und elf hatten sich für diese religionsphilosophische Projektwoche gemeldet, die seit 2001 von der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt mit Sitz in Wittenberg für Schüler ab 16 Jahren aber auch für Auszubildende an Berufsschulen angeboten wird. "Wir freuen uns über jede Schule, die das Angebot wahrnimmt", so Studienleiterin Katharina Doyé. Es könnten gar nicht genug sein. Leider gebe es noch immer viele Berührungsängste zwischen Schule und Kirche und umgedreht, beschreibt Doyé. Schulen würden sich nur schwer öffnen.
Dabei werden in den Projekten Themen besprochen, mit denen jeder junge Mensch im Alltag in Berührung kommt. Beispielsweise Inhalte der weltweit verbreiteten Religionen Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus oder Buddhismus. Vorgestellt werden sie in der Projektwoche jeweils von Menschen, die diese Religionen aktiv praktizieren. Außerdem nahmen die Schüler an einer Exkursion nach Berlin teil, wo sie untern anderem eine vietnamesisch-buddhistische Pagode besuchten und mit katholischen Ordensschwestern sprachen, die in einem Tageshospiz Aidskranke betreuen. Anschließend hatten die Schüler Gelegenheit, Fragen in Wahlthemen-Angeboten zu diskutieren. Zum Beispiel: "Wie gefährlich sind Sekten?" oder " Weshalb verbietet die Kirche die Pille?"
Nach einer Woche "Religion ist Kult-ur" sind sich Religionslehrer Frank Dietrich und Studienleiterin Katharina Doyé einig: Mit diesem Projekt ist das ethische Denken der Schüler nachhaltig angeregt worden. Man habe die Schüler für Themen sensibilisieren können, die zwar auch im Lehrplan stehen, aber mit Hilfe der Akademie und ihrer Referenten neue Sichten und Einsichten vermitteln können. Und zwischen den Klassenstufen habe sich eine erfreuliche Gruppendynamik entwickelt. "Wir werden das auf alle Fälle weiterführen, vielleicht in kleinerem Rahmen", sagt Frank Dietrich. Und wie sehen es seine Schüler? "Ich habe in dieser Woche viel darüber gelernt, was Menschen bewegt, sich für einen bestimmten Glauben zu entscheiden", sagt Stephanie Bako aus der Klasse 10 c. "Mir hat besonders die große Offenheit gefallen, mit der die einzelnen Vertreter der unterschiedlichen Religionen aus ihrem Leben erzählt haben und dass niemand versucht hat, uns seinen Glauben aufzuzwingen", berichtet Josefin Hartmann aus der 10 b. "Bei mir sind viele Vorurteile abgebaut worden", schätzt Josefine Schloosch aus der 10 a ein. Worte, die Katharina Doye´ freuen und hoffen lassen, damit auch anderen Schulen Mut zu machen, künftig diese von der Bundesregierung geförderte Projektwoche in Anspruch zu nehmen.
Auch Kirchenpräsident Helge Klassohn fand es sehr angenehm und spannend mit Schülern ins Gespräch zu kommen, denn es blieb an diesem Vormittag nicht bei den vorbereiteten Fragen von Vanessa und Annika. "Sie sagen, wir sollen nach der Schule hier bleiben, was sollen wir aber tun, wenn es keine Arbeit für uns gibt?", wollte eine Schülerin wissen.
Eine fertige Lösung hatte der Kirchenpräsident nicht parat. Klassohn hatte seine Sicht auf Zusammenhänge aber zuvor schon deutlich gemacht: "Ich finde es unerträglich, dass es in einem reichen Land so viele Arbeitslose ohne Perspektive gibt." Man müsse in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die sich nicht nur auf Sachzwänge berufen dürfe, nach Lösungen suchen. Das Wichtigste sei das Recht des Menschen, sein Leben sinnvoll durch Arbeit zu gestalten, sei soziale Gerechtigkeit. Und noch eine Überzeugung gab Klassohn den Schülern beim Thema Genveränderung mit auf den Weg: "Der Mensch kann viel, aber er darf nicht alles, was er kann umsetzen."