Urlaubspläne 2003 Urlaubspläne 2003: Kasse oft schon vor dem Urlaub leer
Roßlau/MZ. - Am Mittwoch ist in Sachsen-Anhalt der letzte Schultag. In den nächsten Tagen werden viele Familien ihre jährliche Urlaubsreise antreten. Die MZ erkundigte sich in der Roßlauer Hauptstraße, auf dem Schillerplatz und auf dem Luchplatz nach Urlaubsplänen und erhielt überraschende Auskünfte:
"Wir machen auch in diesem Jahr keinen Urlaub", sagte Jutta Straßer (49) aus Meinsdorf. Am eigenen Haus sei immer etwas zu tun. Aber mehr noch als die Zeit sei das Geld knapp, bekennt die Mutter von zwei Töchtern. "Seit wir den Euro haben, sind doch die Preise so gestiegen", nennt sie als eine der Ursachen. "Eine Tochter geht noch zur Schule, die andere fängt jetzt eine Lehre an. Und ich bin seit zehn Jahren arbeitslos - da wird sich wohl auch in Zukunft nichts mehr dran ändern", schildert Jutta Straßer die Situation.
"Wann wir das vorige Mal im Urlaub waren? Das ist schon Jahre her, da waren wir bei Potsdam", kann sie sich nur vage erinnern. Die nächsten Jahre werde eine Urlaubsreise für die Familie eher noch unwahrscheinlicher. "2005 wird die Kohlenstraße ausgebaut, in der wir wohnen. Meine Mutter hat für ihr Haus in Meinsdorf einen Ausbaubeitrag von 11 000 Euro bezahlt. Da können wir uns ja ausrechnen, was auf uns zukommt", äußert Jutta Straßer. "Ich meine - auf dieser Straße fährt doch jeder. Warum sollen dafür nur die wenigen Anwohner bezahlen?", fragt die Mutter verständnislos.
Ähnlich sieht es in diesem Jahr bei Familie Hardiehs aus. "Für uns ist in diesem Jahr der Urlaub passé", bedauert Anita Hardiehs. Der Grund ist nicht allein, dass die 59-jährige seit 1993 arbeitslos ist. "Die Magazinstraße wurde doch ausgebaut. Da haben wir für den Abwasseranschluss für unser Haus 3 800 Euro bezahlt. Jetzt kommen als Straßenausbaubeitrag nochmal 4 995 Euro hinzu. Im vorigen Jahr verbrachte das Ehepaar eine Woche an der Ostsee, aber selbst das sei angesichts der horrenden Ausgaben in diesem Jahr nicht möglich. "Die Magazinstraße wird doch von allen genutzt. Da sehe ich nicht ein, warum nur die wenigen Hausbesitzer die Bauarbeiten bezahlen müssen", kann auch Anita Hardiehs die städtischen Forderungen nicht verstehen.
Petra Boas (42), Verkäuferin in der Bäckerei Meiling in der Hauptstraße, wird am 30. August mit ihrem Mann den Flieger in die Türkei besteigen. Eine Woche wollen sie dort Sonne, Meer und Strand genießen. Trotz der Nachrichten über Terroranschläge in der letzten Zeit hat das Ehepaar in diesem Jahr die Türkei als Ziel gewählt, während die Familie ihren Urlaub im vorigen Jahr an der Ostsee verbracht hat. "Wenn etwas passieren soll, passiert es sowieso, egal ob im Ausland oder hier zu Hause", ist die Mutter einer achtjährigen Tochter überzeugt.
"Unser Sohn hatte in diesem Jahr Jugendweihe. Wir haben für ihn eine schöne Feier ausgerichtet, außerdem noch eine große Familienfeier vor uns, deshalb machen wir in diesem Jahr keinen Urlaub", berichtet Astrid Mau (39), Verkäuferin im Büchereck in der Hauptstraße. Im vorigen Jahr verbrachte die Familie ihren Urlaub auf Ibiza. "Nach Afrika, in die Türkei oder in ein anderes asiatisches Land würde mein Mann wegen der vielen Anschläge nicht reisen", sagt Astrid Mau. Sie selbst meint, man solle sich von Meldungen über Bombenanschläge oder den Ausbruch von Krankheiten nicht so stark beeinflussen lassen. "Hier in Deutschland stürzen ja auch Flugzeuge ab. Und es sind eben gerade die beliebten und preiswerten südlichen Urlaubsländer, aus denen solche Meldungen kommen", bedauert sie.
Alexander Jira, Praktikant bei Expert-Huth am Anhaltiner Platz, hat seinen Urlaub erst Ende des Jahres geplant. Wohin es gehen soll, weiß der 19-Jährige noch nicht genau. "Hauptsache warm, Meer, weißer Strand und viel Sonne", lautet seine Devise. Vor Terroranschlägen im Ausland hat der junge Mann aus Dessau keine Angst. "Mir kann auch hier auf dem Bahnhof etwas passieren", meint er.
Eine abenteuerliche Reise will in wenigen Tagen Thomas Burock (18) aus Coswig antreten. Gemeinsam mit drei Freunden fährt der Maurerlehrling mit Mopeds der DDR-Marke S 51 nach Italien. Ein Ort in der Nähe von Rom ist das Ziel. Vorsorglich nehmen sich die jungen Leute neben Schlafsäcken und Zelten jede Menge Ersatzteile mit, und ein Kfz-Mechaniker ist auch dabei. "Angst, dass etwas schief gehen oder uns etwas passieren könnte, haben wir nicht. Italien ist doch ein sicheres Land. Ich denke, dass wir alles gut vorbereitet haben und trotz der knappen Urlaubskasse viel Spaß haben werden", ist Thomas Burock sicher.