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Triumphe und Tragödien Triumphe und Tragödien: Vor 90 Jahren hob in Dessau die erste Ju 52 ab

Von Danny Gitter 13.09.2020, 12:00
Ingenieur Peter Schenke ist einer von 20 Enthusiasten, die die Ju 52 im Dessauer Technikmuseum originalgetreu rekonstruiert haben.
Ingenieur Peter Schenke ist einer von 20 Enthusiasten, die die Ju 52 im Dessauer Technikmuseum originalgetreu rekonstruiert haben. Thomas Ruttke

Dessau - Als vor 90 Jahren, am 11. September 1930, die Ju 52 / 1m auf dem Dessauer Flugplatz ihren Erstflug antrat, konnten Hugo Junkers und seine Konstrukteure hoffen, aber es noch nicht mit letzter Gewissheit kommen sehen, dass da just eine Legende geboren wurde.

Dabei waren die Anfänge noch nicht allzu vielversprechend. Noch vieles musste nach dem Erstflug nachjustiert und verbessert werden. Und überhaupt blieb die Ju 52, die später zu einem der bedeutendsten Verkehrsflugzeuge der Welt avancieren sollte, zunächst ein Ladenhüter.

Kaum jemand wollte die in Dessau konstruierte Maschine kaufen. Erst die Weiterentwicklung vom einmotorigen zum dreimotorigen Flugzeug sollte 1932 den Durchbruch bringen.

Geschichte der Ju 52 im Dessauer Technikmuseum hängt eng mit dem Zweiten Weltkrieg zusammen

Viele Fluggesellschaften fühlten sich damit sicherer und begannen zu ordern, darunter die damalige „Deutsche Luft Hansa“. Schon bald wurden regelmäßig Ziele in Europa, Nordafrika, Vorderasien und Übersee mit dem Flieger im Wellblechkleid, der 17 Passagieren Platz bot, angeflogen. Selbst in den abgelegensten Winkeln der Welt und unter schlechten Bedingungen konnte der er sicher landen.

Doch es war auch die problemlose Nutzung als Fracht- und Militärflugzeug, die die Ju 52 / 3m zum gefragten Produkt machten. So hängt die Geschichte der restaurierten Ju 52 im Dessauer Technikmuseum auch eng mit dem Zweiten Weltkrieg zusammen.

Das 1937 in Bernburg gefertigte Flugzeug flog zusammen mit zwölf anderen Ju 52 im April 1940 einen Transporteinsatz in Norwegen, um deutsche Truppen im von Alliierten eingekesselten Hafen von Narvik mit Nachschub zu versorgen. Wegen Treibstoffmangels mussten die Besatzungen auf dem zugefrorenen Hartvik-See, in der Nähe der norwegischen Hafenstadt Narvik, notlanden.

Im Januar 1995 wurde ein Rumpf der geborgenen Maschinen von Norwegen nach Dessau gebracht

Zehn der Flugzeuge, darunter die Ju 52 im Technikmuseum, versanken mit der Eisschmelze im See, bis auf 70 Meter Tiefe. Jahrzehnte blieben sie dort liegen, bis sich die Bundeswehr 1986 dafür einsetzte einen Teil der Maschinen zu bergen. Vier Ju 52 wurden an Land geholt. Im Januar 1995 wurde ein Rumpf der geborgenen Maschinen von Norwegen nach Dessau gebracht und zunächst in einer Garage der Polizeidirektion Ost in der Kühnauer Straße untergebracht.

Dort begannen rund 20 Enthusiasten den Flieger originalgetreu zu rekonstruieren. Zwei Jahre später stieß auch Peter Schenke dazu. Von einem ehemaligen Junkalor-Kollegen wurde der Ingenieur damals angesprochen, ob er sich vorstellen könne mitzuhelfen. Er konnte. Ende 50 war er da. „Das war, wie noch einmal in die Lehre zu gehen“, erinnert sich Schenke. Denn obwohl fast alle technische und handwerkliche Kenntnisse hatten, war die Rekonstruktion eines historischen Flugzeugs Neuland.

Die „Tante Ju“ hat ihren Spitznamen durch gerettete deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg

So mussten die gestandenen Männer unter anderem lernen, Wellbleche zu formen. In rund 30.000 Arbeitsstunden wurde aus einem geborgenen Flugzeugrumpf in Norwegen eine majestätische Erscheinung im Technikmuseum. 2004 war das Werk vollendet.

Die „Tante Ju“, die ihren Spitznamen durch gerettete deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg erhielt und auch im Volksmund gerne so genannt wird, strahlt im Museum in Würde, jedoch nicht in Hochglanz. Ganz bewusst blieben einige Spuren von Jahrzehnten im norwegischen See erhalten. So gibt es kleine Narben an der Außenhaut und durchaus große Beulen an den Tanks. „Durch den Wasserdruck wurden die so verbeult“, erklärt Schenke.

Das sollte nicht kosmetisch kaschiert werden. Wohlmeinende Kosmetik gibt es jedoch im Innenraum. In neun bequemen Sesseln kann man Platz nehmen, sobald es die Pandemiebedingungen wieder zulassen.

Das 100-jährige Jubiläum soll umso größer ausfallen

Die haben freilich mit der Originalausstattung nichts zu tun. Sie wurden 2011 für Dreharbeiten zum Kinofilm „Bis zum Horizont, dann links!“ in der Ju 52 des Technikmuseums installiert und sind bis heute dort geblieben. Unter anderem Angelica Domröse, Anna Maria Mühe und Otto Sander haben darin Platz genommen. Schenke schwärmt noch heute von den Dreharbeiten und den interessanten Gesprächen mit den Schauspielern.

Auch an einen Rundflug vor Jahren mit einer Ju 52 erinnert sich der 82-Jährige noch gern. „Die lag so schön ruhig in der Luft“, resümiert er. Deshalb war die Nachricht vom Absturz einer Ju 52 am 4. August 2018 in den Schweizer Alpen auch für ihn ein Schock. Die Ju 52 im Dessauer Technikmuseum, Baujahr 1937, bereitet dagegen Tag für Tag Freude. „Ja, sie ist ein Besuchermagnet und viele Veranstaltungen finden auch wegen ihr bei uns im Technikmuseum statt“, bestätigt der Geschäftsführer des Technikmuseums, Gerd Fucke.

Der 90-jährige Geburtstag wird im Stillen gefeiert. Das 100-jährige Jubiläum soll umso größer ausfallen: unter den Flügeln der Ju 52 im Technikmuseum. (mz)

Rumpf der Ju 52 bei der Verladung in Norwegen im Januar 1995. Am 26. Januar 1995 traf die Maschine in Dessau ein.
Rumpf der Ju 52 bei der Verladung in Norwegen im Januar 1995. Am 26. Januar 1995 traf die Maschine in Dessau ein.
Stadtarchiv
Tante Ju in ganzer Pracht
Tante Ju in ganzer Pracht
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