(N)Ostalgie auf Rädern Treffen mit DDR-Fahrzeugen: In Kleinkühnau rollt der Jugendtraum weiter
Der ehemalige IFA-Mitarbeiter Jürgen Ribbecke hat Oldtimer-Liebhaber nach Kleinkühnau eingeladen und Herzen höher schlagen lassen.
Kleinkühnau/MZ - Der IWL SR59 war sein Jugendtraum und blieb es über Jahrzehnte, bis Klaus Reinhardt ihn sich erfüllen konnte. Nun fährt er am Sonnabend in Dessauer Vorort Kleinkühnau damit vor: Schwarz lackiert, weiße Sitze, geschwungene Formen im Stil der 50er Jahre, am Heck ein Ersatzrad und nach 800 oder auch 1000 Stunden investierter Arbeit bestens in Form - ein Motorroller vom Typ Berlin, Baujahr 1960.
Was Reinhardts Berlin mit vielen anderen Zweirädern und Autos eint, die am Sonnabend im und vorm Veranstaltungszentrum „Old Kine“ von Nicky Lau zu sehen sind: Sie stammen aus Werken des Industrieverbandes Fahrzeugbau (IFA), in denen nahezu alles gebaut wurde, was auf der Straße muskel- oder motorkraftgetrieben rollte.
Der Blick zurück ist nostalgisch und ein bisschen ironisch
„Wofür stand IFA“, fragt listig Margitta Kaiser, die einst im Dessauer IFA-Vertrieb tätig war. „Immer fleißig arbeiten“, antwortet Jürgen Ribbecke, ihr einstiger Kollege und Organisator des Treffens ehemaliger IFA-Vertriebsleute. Wobei arbeiten vor allem hieß, den Mangel zu verwalten: Zehn bis 15 Jahre Wartezeit auf ein Auto waren die Regel in der DDR und das war werksneu technisch bereits überholt, zum Ende der DDR hoffnungslos überholt.
Es geht beim von Ortschaftsrat und Amtshaus-Verein mitorganisierten Treffen jedoch nicht um Systemversagen. Der Blick zurück ist nostalgisch und ein bisschen ironisch. „So ein schönes Sandmännchenauto möchte ich haben“, habe seine Frau 2013 beim Anblick eines alten, noch rundlich geformten Trabants gesagt. Inzwischen besitzt Bernd Bauer vier der kleinen Zweitakter, darunter unter anderem die „Tramp“ genannte Zivilvariante des Cabrios im besten Zustand. Schätzwert: 22.000 Euro. Das erste Golf-Cabrio gibt es billiger.
Anders als bei Oldtimer-Treffen üblich, sind in Kleinkühnau Fahrräder gleichberechtigt mit Autos und Motorrädern
Gleich links vom Eingang präsentiert Florian Heizereder aus Wittenberg seine historischen Fahrräder. Das älteste stammt etwa von 1905 oder 1906. Es gibt eines mit schaltbarem Kardanantrieb und ein anderes mit halbkreisförmiger Vorderradgabel. Wozu die? Heizereder: „Das soll besser federn. Aber ich merke davon nichts.“
Anders als bei Oldtimer-Treffen üblich, sind in Kleinkühnau Fahrräder gleichberechtigt mit Autos und Motorrädern. Was nicht verwundert: Ribbecke führte nicht weit entfernt ein Fahrradgeschäft und begann in seiner Jugend mit Radsport. 35 oder 40 Fahrräder in der Halle, so genau weiß er es nicht, stammen aus seiner Sammlung und nicht alle aus ostdeutscher oder IFA-Produktion.
Von Trabants, über Wartburgs und Motorrädern des Typs MZ
Es gibt Kuriositäten zu bestaunen: Ein Rad mit hölzernen Felgen, ein anderes mit rechteckigen Rahmenrohren. Auf der Bühne steht unter anderen ein „Hühnerschreck“, ein Fahrrad mit Hilfsmotor.
Um 14 Uhr wird es auf der ansonsten eher ruhigen Hauptstraße Kleinkühnaus laut. Dutzende Zweitaktmotoren werden angelassen, von Trabants, von Wartburgs und Motorrädern des Typs MZ. Man startet zur gemeinsamen Ausfahrt. Und irgendwie wäre die ohne IFA-Vertrieb nicht möglich gewesen - auch wenn der schon vor Jahrzehnten aufgelöst wurde.