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Traditions-Firma Traditions-Firma: Uhren-Flöter verabschiedet sich aus Dessau

Von Heidi Thiemann 24.07.2016, 10:00
Eine ruhige Hand, ein gutes Auge und Präzision sind gefragt, wenn Michael Flöter Uhren repariert.
Eine ruhige Hand, ein gutes Auge und Präzision sind gefragt, wenn Michael Flöter Uhren repariert. Lutz Sebastian

Dessau - Eine Ära geht zu Ende. Was Michael Flöter zum einen sentimental macht, zum anderen aber pragmatisch sagen lässt: „Ende November mache ich drei Kreuze. Denn die Masse der Leute lebt nur nach dem Motto: ,Geiz ist geil.’“

Er und sein Bruder Winfried bekommen das hart zu spüren. Weshalb für Uhren-Flöter nach 69 Jahren des Bestehens die letzten Wochen gezählt sind. „30 Prozent - alles muss raus.“ Der Ausverkauf hat Anfang Juli begonnen. Die letzte Stunde bald geschlagen.

Eröffnung nach dem 2. Weltkrieg

Dabei war kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1947 Zukunft angesagt. Uhrmacher Gerhard Flöter eröffnete im Februar sein Geschäft in seiner Wohnung in der Gutenbergstraße 4, heiratete im Juli seine Margarethe und legte im Oktober seine Meisterprüfung mit Auszeichnung ab.

Uhren-Flöter sollte sich bald einen Namen machen - weit über die Stadtgrenzen hinaus. Nicht nur, weil hier unzählige Uhren und Wecker repariert wurden, sondern bald auch Lehrlinge und Meister des Faches ausgebildet worden sind. Da war das Geschäft schon längst in der Heidestraße 18.

Lange Schlangen zur Annahme

Die Zeit schritt voran, Uhren-Flöter schritt mit. „Wir müssen immer ein bisschen besser sein als die anderen“, war das Credo des Gründers. Und er lebte es vor.

Als Kordeluhren in den 50er Jahren aufkamen war die Dessauer Werkstatt ein Hauptproduzent. „Die halbe DDR wurde damit beliefert“, lacht Michael Flöter, der wie sein Bruder ins Uhrmacherhandwerk hineingewachsen ist.

„Es folgten Messingsägearbeiten für Kunsthandwerkgeschäfte, wir bohrten Düsen für das Gasgerätewerk und stellten Arbeitsmittel her für die Druckerei Dünnhaupt in Köthen. Was Devisen einsparte.

Jahrelang auch wurden Schaltuhren für das Energiekombinat Dessau repariert“, sagen die Brüder, während sie in der Chronik blättern, die in Wort, Bild und Zeitungsausschnitten die Firmengeschichte widerspiegelt.

Selbstgebaute Weltzeituhr als Markenzeichen

Die Firma musste vergrößert werden. Weshalb ein Umzug in die Heidestraße 26 folgte und später in die Joliot-Curie-Straße 125. Im Schaufenster war die von Flöter selbst gebaute Weltzeituhr das Markenzeichen.

Uhren verkauft wurden nicht. Nur repariert. „Einmal im Monat war Reparaturannahme. Da gab es lange Schlangen - Bananen aber nicht“, lacht Michael Flöter. Doch zum Lachen war in der damaligen Zeit nicht immer alles.

Innerhalb eines halben Jahres musste Uhren-Flöter auf Anweisung des Rates der Stadt Dessau die Kooperationsbeziehungen mit den Volkseigenen Betrieben (VEB) einstellen. „Wenn unser Vater sich nicht daran gehalten hätte, wäre er sein Gewerbe los gewesen“, schüttelt Michael Flöter den Kopf.

Was also tun? Kommissionshandel mit der Handelsorganisation HO war die Idee - doch das wurde abgelehnt. „Trotzdem baute der Vater ein leistungsfähiges Reparaturunternehmen auf.

Wir haben in der Stadt Dessau fast alle anfallenden Reparaturen durchgeführt.“ Waschkörbeweise hatte zum Beispiel das Dienstleistungskombinat (DLK) Uhren gebracht.

Genossenschaft-Gründung abgewehrt

Inzwischen waren die Söhne Michael und Winfried (Jahrgang 1949 und 1953) in die Firma eingestiegen. Winfried mit seinem Faible für Elektronik war bald als Spezialist gefragt, wenn es um Quarzuhren ging. „Da habe ich den Älteren gezeigt, wie das mit dem Löten geht. Das war bis dahin verpönt.“

Ein steiferer Wind blies dann, als die PGH-Gründung diskutiert wurde, Vater Gerhard das aber ablehnte. „Weist mir nach, dass wir damit schneller und besser arbeiten und mit weniger Kosten“, hat er den Verantwortlichen gesagt.

Zum Glück, sagt Winfried Flöter heute, „konnten wir der zwangsweisen PGH-Gründung erfolgreich widerstehen.“ Immerhin war Uhren-Flöter die größte Reparaturwerkstatt im damaligen Bezirk Halle.

Noch mit 85 hat der Vater Uhren repariert, erinnern sich seine Söhne. Doch mit 65 hatte er sich gesagt, nun ist’s genug, nun soll die Jugend übernehmen. So übernahm am 1. Januar 1981 Michael Flöter die Werkstatt mit neun Mitarbeitern und zwei Rentnern.

Die Uhrenreparatur lief weiter auf Hochtouren. „Für bestimmte elektronische Uhren von Ruhla durften wir auch für andere Werkstätten Leiterplatten regenerieren.“

Hoffnung und Widrigkeiten nach der Wende

Und dann kam die Wende. Der Laden wurde umgestaltet - jetzt konnte auch endlich verkauft werden - Uhren und Schmuck. In der Heidestraße wurde 1994 große Neueröffnung gefeiert. Doch die Brüder mussten bald feststellen: „Früher war es schon nicht einfach, ein Geschäft zu führen. Heute ist es auch nicht leichter geworden.“

Einbrüche, Baustellen vor der Tür, dadurch wegbleibende Kundschaft. Mit verschiedenen Widrigkeiten mussten sie kämpfen. Zuletzt auch in der Kurt-Weill-Straße, wo ihr Geschäft noch bis Ende November offen steht.

Nachmieter gesucht

Längst wird ein Nachmieter gesucht. Nicht nur die Straßenbaustelle hat sich im vergangenen Jahr bemerkbar gemacht. „Seitdem die Sparkasse zu ist, ist kaum mehr Betrieb“, sagt Michael Flöter.

Es lohne sich nicht mehr. „Man kann hier auch keine Experimente machen und neue Sachen anbieten. Die Kunden kaufen klassisch ein.“ Oder eben im Internet...

„Geholfen hat uns keiner - weder zu DDR-Zeiten, noch danach“, sagen die Brüder und nehmen gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Rudolf Mladek langsam Abschied von der Kundschaft.

Zum Jahresende ist die Ära vorbei

Wenn der Laden zu ist, werden sie nicht, wie der Vater einst, zu Hause noch eine kleine Werkstatt betreiben. Einzig die Uhr, die an der Hauswand in der Kurt-Weill-Straße hing, wird an der Garage von Michael Flöters Haus weiter die Zeit anzeigen.

Ansonsten, sagen beide, wird sich sicher mancher Dessauer noch an die Uhren erinnern, die einst bei Uhren-Flöter gangbar gemacht worden sind. Auch die Bären-Uhr oder die Kirchturmuhr in Ziebigk sind Zeugen ihres Könnens. Doch zum Jahresende ist die Ära vorbei. (mz)

Die Weltzeituhr war ein Markenzeichen des Geschäfts.
Die Weltzeituhr war ein Markenzeichen des Geschäfts.
Privat
Winfried Flöter war der Gründer des Unternehmens.
Winfried Flöter war der Gründer des Unternehmens.
Privat
Winfried Flöter war aber auch Elektronikspezialist.
Winfried Flöter war aber auch Elektronikspezialist.
Privat
Michael und Winfried Flöter beenden das Firmenkapitel, das ihr Vater Gerhard 1947 eröffnet hatte. Die Weltzeituhr war ein Markenzeichen des Geschäfts und Winfried Flöter Elektronikspezialist.
Michael und Winfried Flöter beenden das Firmenkapitel, das ihr Vater Gerhard 1947 eröffnet hatte. Die Weltzeituhr war ein Markenzeichen des Geschäfts und Winfried Flöter Elektronikspezialist.
Lutz Sebastian