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Therapie für eine «Laune der Natur»

Von SILVIA BÜRKMANN 10.02.2009, 18:17

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Dem einen oder anderen wird der Gang ins Schulhaus, egal ob Grundschule, Sekundarschule oder Gymnasium schwerer fallen als den Klassenkameraden, bleibt das Schulbuch eines "mit sieben Siegeln" und unverständlich. Dieser Klientel der lese- und rechtschreibschwachen Schüler nimmt sich seit 14 Monaten in Dessau auch das Lehrinstitut für Orthographie und Schreibtechnik um Klaus Mehldau an.

"Lesen und Schreiben? Lernt man nur durch Lesen und Schreiben", sagt der drahtige 45-Jährige kategorisch und in fester Überzeugung. Den Schriftsprachenerwerb vermag kein Comic oder Hörbuch zu ersetzen. Das Lernen selbst aber kann erlernt werden. Mehldau spricht ausdrücklich von einer Therapie, die im LOS angewendet wird, um den Mädchen und Jungen das Rüstzeug zu geben, um zu einem adäquaten, angemessenen Schulabschluss zu kommen.

Die Methodik des LOS ist ebenso breit gefächert wie klar strukturiert. Nehmen Eltern mit ihren Kindern ersten Kontakt auf, steht am Beginn der Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Institut die umfangreiche Diagnose. In den ersten Elterngesprächen wird der medizinische Hintergrund geprüft, können Schäden der Augen, Ohren und Feinmotorik ausgeschlossen werden? Was sagen Kinder- und Fachärzte? Das LOS wolle neben den Eltern auch alle Beteiligten rundum sensibilisieren für ein immer häufiger auftretendes Problem, sagt Mehldau.

In der so genannten Hamburger Schreibprobe - jahrzehntelang bewährt und von Pädagogen, Psychologen, Medizinern und Wissenschaftlern stets weiterentwickelt - erlangen die Förderpädagogen dann Auskunft über den anfallenden Förderbedarf des Kindes. Die Förderung arbeitet mit speziellen Materialien in kleinen Gruppen. Auch hierfür hat das LOS einen kategorischen Ansatz: Keinen Stress! Es gibt keine Noten, keinen Zeitdruck, keinen demoralisierenden Rotstift. "Die Kinder kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Unsere Kräfte nehmen sich für jedes Kind die Zeit, die es braucht, um Nichtverstandenes doch noch zu verstehen." Ihr Lerntempo bestimmen die Mädchen und Jungen selbst. Über den erreichten Fortschritt gibt nach sechs Monaten eine neue Probe Auskunft, Eltern werden zu Seminaren eingeladen und entscheiden über die Verweildauer ihres Sprösslings beim LOS.

Angeboten wird die Förderung zweimal pro Woche, mit maximal zweimal zwei Stunden (a 45 Minuten). Derzeit besuchen 21 Schüler von Klasse 1 bis 9 das Haus in der Rennstraße, aus Hartz IV-Familien ebenso wie aus wohlhabenden Elternhäusern. Die Lese-Rechtschreibschwäche ist eine "Laune der Natur" und könne erwiesenermaßen jeden treffen, sagt Mehldau.

Im Gruppenraum gibt's (natürlich?) keine Schultafel, sondern eine Weißwandtafel, dafür aber im Computerraum zehn Rechner. Programmiert mit einfachen Schreibprogrammen. Natürlich.