Talitha Kumi Talitha Kumi: Dessauer Architekten sanieren Gebäude in Palästina

Dessau/Talitha Kumi/MZ - Als Ministerpräsident Rainer Haseloff Anfang des Monats in Israel und Palästina zu Besuch war, gab es auch für den Dessauer Architekten Hendrik Gaudl einen großen Tag. Denn Haseloff und Muni Younan, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, haben das Gästehaus von Talitha Kumi in Beit Jala eingeweiht. Gaudls Architekturbüro hatte fachlich die Sanierungsarbeiten am Gästehaus betreut.
Masterplan erstellt
Ein interessantes und spannendes Projekt sei dies gewesen, blickt der Dessauer auf die vergangenen Monate zurück. Für das Berliner Missionswerk, das die offiziell anerkannte deutsche Auslandsschule betreibt, hatte das Architekturbüro Gaudl-Architekten einen Masterplan erstellt. „Das erste Teilprojekt war die Sanierung des Gästehauses“, sagt Gaudl, wofür rund eine Million Euro veranschlagt waren.
Das Gästehaus selber ist für Reisende, die das Land Palästina und die Herzlichkeit der Leute hautnah erleben wollen, ein idealer Ausgangspunkt. Der aber in die Jahre gekommen war. Das Gästehaus wurde erweitert, jetzt gibt es 35 Zimmer (zwölf mehr als vorher) mit 100 Betten. Erneuert wurde auch der Restaurantbereich und die Küche, die nicht nur das Gästehaus, sondern auch die gesamte Schule versorgt, wo zur Zeit rund 750 Schüler vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse unterrichtet werden.
Zum Bildungszentrum Talitha Kumi in Beit Jala bei Bethlehem gehören ein Kindergarten, eine Schule von der ersten Klasse bis zur Hochschulreife, eine Hotelfachschule, ein Mädcheninternat und ein großes Gästehaus. Alle Einrichtungen befinden sich auf einem ca. 10 ha großen Gelände auf einer bewaldeten Anhöhe 10 km südlich von Jerusalem. Talitha Kumi ist aramäisch und bedeutet: „Mädchen, steh auf!“ Das ist zugleich Programm und Auftrag für die älteste evangelische Schule in Palästina, die 1851 gegründet wurde.
Die Sanierung des Gästehauses bedeutete für den Träger Talitha Kumis, das Berliner Missionswerk, eine große finanzielle Anstrengung. Rund 1,2 Millionen Euro wurden investiert. Partner sind „Brot für die Welt“ und die Evangelische Kirche von Westfalen, die die Sanierung mit 750.000 bzw. 100.000 Euro unterstützten.
Die Evangelische Landeskirche Anhalts ist als eine Trägerorganisation des Berliner Missionswerks mit der Schule verbunden. Kirchenpräsident Joachim Liebig war vor einem Jahr zur Übergabe der ersten Abiturzeugnisse nach deutschem Standard vor Ort.
Freiwillige aus Deutschland unterstützen die Arbeit der Lehrkräfte und Betreuer in Talitha Kumi. Unter den zur Zeit sechs Freiwilligen aus Deutschland ist Marie von Bülow aus Dessau-Roßlau. Informationen zu Talitha Kumi gibt es unter www.talithakumi.org/ (hth)
Die größte Herausforderung, blickt Gaudl zurück, war die Bauzeit zu fassen und den Kostenrahmen einzuhalten. „Das Ganze fand in einem für uns ungewohntem Umfeld statt. Wir kannten die Gepflogenheiten palästinensischer Firmen nicht“, erklärt er. Die Bautechnologie und auch die verwendeten Materialien sind anders als in Deutschland. Zudem besteht das Problem, dass Palästina bei Importen abhängig von Israel ist. Hinzu kam auch eine ganz andere Mentalität der Menschen.
Das Projekt wurde relativ kurz geplant von Januar bis April 2013. Im Mai folgte die öffentliche Ausschreibung, bei der örtliche Firmen gesucht wurden. Ende Juni ging der Umbau los mit Abbrucharbeiten. „Der Wunsch war, das Gästehaus Weihnachten zu übergeben.“ Das konnte nicht eingehalten werden, dennoch spricht Gaudl aufgrund der Umstände von einem verträglichen Bauverzug. Jeden Monat war er für drei bis fünf Tage vor Ort in Beit Jala, um den Baufortschritt zu begutachten, gab es Meetings mit dem örtlichen Architekturbüro Khoury, dem Baubetrieb und auch Schulvertretern, da viele Entscheidungen getroffen werden mussten.
Für Gaudl, der bisher Auslandserfahrung in Dubai gesammelt hatte, war das Projekt in Beit Jala eine außergewöhnliche Erfahrung. „Doch was zählt, ist das Resultat“, sagt er. „Das Gästehaus ist gut geworden. Und es wird auch gut angenommen“, freut er sich über den fertigen Bau.
Nicht nur das: Der Kostenrahmen wurde eingehalten. Es ist sogar noch Geld übrig für die Fassadenreinigung und auch für eine noch anzubringende Feuchtigkeitssperre am Gästehaus. In einem Seitenflügel können zudem zusätzliche Räume als Treffpunkt für Jugendliche hergerichtet werden. Und auch die Wäscherei, die ausgelagert worden war, weil deren Gebäude einsturzgefährdet war, wird wieder eingerichtet.
Ob Gaudl-Architekten auch die anderen Teilprojekte in Talitha Kumi betreuen kann, steht noch nicht fest. „Das ist unser Wunsch, aber das ist auch abhängig von den finanziellen Möglichkeiten“, erklärt Gaudl. So müssten verschiedene Bauunterhaltungsmaßnahmen an Schule und Turnhalle vorgenommen und Vorkehrungen in Sachen Brandschutz getroffen werden.
Zukunftsmusik Schulaula
„Ein großes Projekt ist auch die Schulaula“, sagt Gaudl, denn der Eliteschule in Beit Jala fehlt es an großräumigen Gegebenheiten. „Hier könnte Theater gespielt werden, aber es könnten auch Versammlungen und Konferenzen stattfinden.“ Das ist jedoch noch Zukunftsmusik.