St. Trinitatis Zerbst St. Trinitatis Zerbst: Viel Staub wird aufgewirbelt für neuen Atem im Inneren
Zerbst/MZ. - Der Sohn des reformierten Zerbster Fürsten Rudolf wurde unter dem Einfluss seiner Mutter orthodox lutherisch erzogen. Prinz Johann trat 1642 die Regierung an. Schon ein Jahr später wurde der Hofprediger an St. Bartholomäi direkt aus Wittenberg beordert. Die reformierte Landesuniversität geriet in die Zange. Die reformierte Gesamtschule St. Johannes bekam Konkurrenz. Und St. Nicolai geriet zu einem Stachel im Auge des lutherischen Fürsten. Nach langem Streit wurde im so genannten Religionsvergleich von 1679 beschlossen, in der Nähe der reformierten Kirche die lutherische Kirche St. Trinitatis zu errichten.
Mitten im Mai des Jahres 2004 fährt ein Minibagger durch den imposanten Zentralbau. Die leere Kirche ist voller Staub. Der Fußboden ist aufgehoben. Die Gewölbe der Gruften liegen frei. Nach der Außensanierung, die zum 300. Kirchweihfest im Oktober 1996 weitgehend abgeschlossen war, wird nun das Innere der Kirche saniert. Von der historischen Innenausstattung ist nach der Bombardierung im April 1945 allerdings wenig erhalten geblieben.
Alle vier evangelischen Kirchen der Stadt wurden zerstört. Man entschied sich für den Wiederaufbau der Trinitatiskirche nicht zuletzt wegen der guten Bausubstanz. Zum anderen gilt die von Cornelius Ryckwaert nach Vorbildern seiner holländischen Heimat entworfene Kirche als eines der wertvollsten barocken Bauwerke in Mitteldeutschland, das zudem deutlich auf den Frühklassizismus verweist.
Jetzt gibt es nicht nur viel Staub in der Kirche, sondern auch einen mächtigen Papierberg. Otto Hoffmann, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats, ist voller Ehrfurcht für die Leistungen der Nachkriegszeit unter Pfarrer Heinz W. Michels: "Man muss den Hut ziehen, vor diesen Leuten." Heute gilt es, neben den ohnehin umfangreichen Planungen auch Entscheidungen etwa über den Anstrich und das Material des Fußbodens zu treffen. Weil die Kirche 1945 ausbrannte, ist die originale Farbe nicht mehr zu ermitteln. Die Denkmalschützer wünschen sich einen kostenintensiven Sandsteinboden. Hier gilt es wohl, Kompromisse zu finden zwischen Erscheinungsbild, Materialgerechtigkeit und Effektivität. Denn die bisher nur mangelhaft beheizbare Kirche, wird mit einer kombinierten Umluft- und Fußbodenheizung ausgestattet, was für die Materialwahl Folgen hat.
In dieser Kombination sieht der leitende Architekt Klaus-Dieter Bremer die beste Möglichkeit, den mächtigen Raum schnell zu erwärmen und eine gleichmäßige Wärme nachzuliefern. Schon deutlich sichtbar und längst genehmigt ist der Einbau einer Winterkirche unter der Orgelempore. Wie oft praktiziert, geschieht die Trennung mittels einer Glaswand. Für immerhin einhundert Menschen ist allein hier Platz. Eine Teeküche und Toiletten werden eingebaut. Wasser bzw. Abwasseranschlüsse gab es bisher nicht. Zudem wird die gesamte elektrische Anlage erneuert.
Die Kirche multifunktional zu nutzen, ist auch der Leitgedanke dieses Umbaus. Deshalb sollen nach Ansicht der Gemeinde bewegliche Stühle die starren Bänke ersetzen. Für den späten Hochsommer bietet die St. Trinitatiskirche umliegenden Gemeinden an, mobiles hölzernes Inventar zur Begasung in die Kirche am alten Viehmarkt zu schaffen.
Wenn Schädlinge und Staub verschwunden sind, soll, so Pfarrer Torsten Neumann, Gemeindeleben einziehen: Gottesdienste, Kirchencafé, Lesungen und Empfänge. Dank der Schuster-Orgel und der attestierten guten Akustik ist die Kirche auch für Konzerte geeignet.
St. Nicolai, gleich gegenüber, bleibt ein stilles Mahnmahl. St. Trinitatis könnte ein belebter Gegenpol werden.