Spaziergang im verkehrten Garten
Dessau/MZ. - Leicht und sinnlich funkelt hier nun ein gefallener Lüster. Scheinbar klirren Kristalle. "Kunst im Georgengarten 2006" heißt, die weiße Festwoche mit dem Gartenreichtag vernetzend, das Projekt des Büros Otto Koch. Fünf Künstler hat Johanna Bartl eingeladen. Am Sonnabend war Eröffnung, ein Rundgang mit Regen.
Station Nummer eins: "Der verkehrte Garten" von Eva-Maria Schön im Gartensaal und vor dessen Tür. Im Spiegel spiegelt sich die Landschaft und spielt mit Reflexionen. Draußen liegt, die kreisförmige Fläche das Saals kopierend, ein Wegeplan des Gartens, drinnen sind die Orte des Parks verortet, alles spiegelverkehrt. So wird Innen und Außen vernetzt und die Gewohnheit über Umwege geleitet. Hinsehen lohnt im Park ohnehin, weil der Georgengarten das Auge programmatisch vom Weg abbringen will.
Station Nummer zwei: Nanaé Suzuki, "Stillleben mit Bäumen", die wachsen, wo einst das Küchengebäude stand. Schinken, Käse, Obst, Gemüse - Suzuki hat Details aus Stillleben in Öl kopiert und sie an die Säulen gehangen, Verweise auf das verschwundene Küchengebäude und auf die Galerie, weit oben platziert, weit weg vom Auge, in Wind und Wetter.
"Wo ist die Erde?", fragt Klara Sachse. Station Nummer drei am Fremdenhaus. Die Ausstellung ist außen. Texte hängen im Fenster: Fragen, Wortspiele, Antworten, die sinnlich in die Erde greifen, Das Vasenhaus, gewöhnlich eine Abstellkammer, ist ausgefegt, eine besinnlich flüsternde Oase auf Zeit, geöffnet von 10 bis 20 Uhr, bis zum Gartenreichtag. Danach verschwinden bis auf Nummer eins und drei auch die anderen Objekte. Der Lüster liegt am Boden, goldener Schnitt, Lampen flackern, Schatten spielen. Doch hier klirren nicht wirklich Kristalle. Die Geräusche der Starter klingen so, vielleicht, weil man sie in diesem Kontext so hören will. Thomas Küntzel, "Lüster, ein selbstspielendes Instrument", Station Nummer vier.
Nummer fünf steht auf der Wiese vor dem Schloss: Jan Meyer-Rogges "Architektur des Gleichgewichts". Drei Metallwinkel werden coram publico ineinander gekippt - drei in einem, verwinkelt, verzahnt, Balance haltend und bedrohend. Venus steht noch, Apollo fiel vom Sockel, eine Lücke in der Symmetrie. Dennoch ist das Objekt so platziert, dass der Platz vor dem Schloss nun angespannt aus dem Gleichgewicht zu fallen droht. Und als die Gesellschaft zum geselligen Teil ins Blumengartenhaus gegangen war, radelte ein Dessauer vorbei: "Was hab'n se denn da widder hinjeworfen." Auch das trifft einen Schnittpunkt von Wahrnehmung und Wollen. Die Balance rostet. Und Rost ist edel, wenn man ihn so sehen will.