Sozialismus löst sich in Rauch auf
Nienburg/MZ. - Der letzte Rest vom Sozialismus wurde am Donnerstagnachmittag weggesprengt. Nienburg kann für sich verbuchen, dass es den Endpunkt einer langen Geschichte gesetzt hat - mit 40 Kilogramm Gelamon in etwa 120 Sprengladungen in den beiden Schornsteinen des ehemaligen Werkes "Sozialismus".
Routiniert hatte Hermann Havekost mit seiner Crew die Löcher in das Mauerwerk gebohrt und die Ladungen eingebracht. Einer der Schornsteine, doppelwandig gemauert, musste anders berechnet werden als der andere. Zudem hatte er zwei Füchse (Luftschächte am Schornsteinfuß).
Das alles und die Risse im Mauerwerk können dazu führen, erklärt Havekost, der bei 200 Sprengungen aufgehört zu zählen, dass mehr Sprengstoff benötigt wird. Der Grund: Der Sprengstoff dehnt sich gasförmig aus und schiebt das Material, sagt der Fachmann. Risse oder auch Luft in Zwischenräumen lässt das Gas der Sprengladung entweichen, es kommt nicht zu dem beabsichtigen Druck, der auf das Mauerwerk ausgeübt wird. Dann kann das Bauwerk anders kippen oder in sich zusammen fallen, als vorher beabsichtigt.
Die Schornsteine fielen, wie gedacht. Havekost klemmte die Kabel für die elektrischen Zünder an und Uwe Müller, Werkleiter des Schwenkwerkes, und Aurec-Chef Frank Schmitz zündeten die Ladungen. Ein Schornstein sackte etwas eher ein, was Havekost schon vermutet hatte. Aber ansonsten war alles nach Plan gegangen.
"Es ist schon ganz schön viel Wehmut dabei", sagte Günther Semmler und zeigt auf sein Herz. Vier oder fünf Jahre hat er hier im "Sozialismus" gearbeitet. "Mein ganzes Leben war ich im Zementwerk", blickt auch Bernd Reichenbach zurück. Erst, so bis 1963 in Nienburg, später in "Fortschritt". Für die beiden Nienburger verschwindet mit den Schornsteinen ein Symbol von der Bildfläche, das Jahrzehnte lang die Saalestadt prägte.
Seit 1927 wurde hier Zement produziert, sagt Müller. Damals hieß das Werk noch "Concordia". Was aus dem ca. insgesamt 6,5 Hektar großen Gelände, auf dem seit April die Abrissarbeiten durch die Aurec laufen, werden soll, ist noch nicht ganz klar. "Vielleicht wieder Industrieansiedlung", sagt Schmitz, dessen Firma Aurec die Flächen vermarkten will. Ungewiss auch noch, wie es im Jesarbruch weiter geht. Dort sind noch Gebäude in Größenordnungen abzureißen.
Klar ist aber, dass in den nächsten Monaten im Bernburger Werk alte Anlagen demontiert werden sollen.