Schultheiß-Brauerei Schultheiß-Brauerei: Wenn High-Tech in uralte dicke Mauern einzieht
DESSAU/MZ. - Es ist ein Koloss, der am Kran hängt. Doch seine fünf Tonnen Gewicht sind das geringste Problem. Jener Koloss ist ein Balken von 16 Metern Länge, 1,5 Metern Höhe und 24 Zentimetern Breite. Er ist der letzte von insgesamt zwölf Balken, den Kran-Fahrer Holger Franz von der Rodlebener Niederlassung Autokrane Buller am Freitag im Blindflug an die vorgesehene Stelle befördern muss.
Der Platz, um diesen Koloss punktgenau landen zu können, ist arg begrenzt. Darüber hinaus trennt Franz und den Balken die Außenmauer einer wieder aufzubauenden Halle in der alten Schultheiß-Brauerei. Er ist auf exakte Anweisungen der Zimmerleute angewiesen, damit sich der Balken nicht verkeilt. Nach einer knappen halben Stunde ist die Arbeit erledigt, eine erste Etappe geschafft.
Noch in diesem Jahr will der Dessauer Brauhaus-Verein das von der Bundesregierung mit einer Million Euro geförderte Projekt Solarthermie 2000 abschließen. Die Zeichen dafür stehen gut, nachdem im August 2009 im einstigen Bierkeller riesige Wasserspeicher installiert und im Oktober die ersten 160 von insgesamt 500 Quadratmetern Sonnenkolektoren auf einem Dach des im 19. Jahrhundert errichteten Industrieareals aufgebracht wurden. Ziel ist, dass sich die Brauerei selbst mit Wärmeenergie versorgen kann. Bisher werden die genutzten Gebäude mit Gas beheizt. Ab dem kommenden Winter aber werden ausschließlich Sonnenenergie, Holzschnitzel oder Holzpellets für Wärme in den vermieteten Räumen zur Verfügung stehen.
Der aktuelle Bauabschnitt konzentriert sich auf den Wiederaufbau einer Halle. Deren Dach war vor neun Jahren abgebrannt. In der etwa 1 000 Quadratmeter großen, noch zu erschließenden Fläche soll ein Indoor-Spielplatz entstehen. Auf dem Dach ist einmal Platz für rund 400 Quadratmeter Sonnenkollektoren.
Das leicht geneigte Pultdach, das dieser Tage errichtet wird, sollte eigentlich schon fertig gebaut sein, erklärt Thomas Busch, Vorsitzender des Brauhaus-Vereins. Doch diese Dachkonstruktion habe an die Statiker des Büros Neumann und Dittmer und den Architekten Dieter Bankert hohe Anforderungen gestellt. Die relativ schmalen und alten Außenmauern hätten die tonnenschwere Dachkonstruktion samt Kollektoren nicht tragen können. An verschiedenen Punkten der Außenmauer mussten zunächst Scheiben aus Stahlbeton gesetzt werden. Diese tragen jetzt das Dach, auf das in den nächsten Wochen der Richtkranz aufgesetzt werden kann.
1,1 Millionen Euro bewilligte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vor zwei Jahren innerhalb des Bundesforschungsprogramms "Solarthermie 2000 plus". Der kleine Dessauer Brauhaus-Verein erhält mit der Finanzspritze aus Berlin und mit wissenschaftlicher Hilfe der Technischen Universität Ilmenau die Chance, ein zukunftsweisendes Wärme- und Kälteversorgungskonzept zu errichten, das nach Projektende anschaulich zeigt, dass selbst alte Industriebrachen mit Hilfe von Sonnenwärme und Biomasse CO2-neutral mit Energie versorgt werden können.
Noch in dieser Woche beginnt dafür in der Brauerei ein weiterer Bauabschnitt. Unmittelbar an der Lagerhalle schließt sich die ehemalige Pichhalle an. Als noch Bier gebraut wurde, wurden in diesem Gebäudetrakt Fässer mit Pech abgedichtet. In dieses Gebäude wird ab Montag eine Biomasseheizung installiert. Mit Hilfe der beiden je vier Meter langen und zwei Meter hohen Biomasse-Kessel können sowohl Hackschnitzel als auch Pellets verheizt werden. Die Anlage hat eine Leistung von rund 1 000 KW. Mit ihrer Hilfe sollen extrem kalte Wintertage überbrückt werden. Mit der gesamten Anlage wird der Brauhaus-Verein in die Lage versetzt, sich selbst mit Wärme versorgen zu können.