Der Nerv der Zeit Schon 3.500 Tickets verkauft: So will das Dessauer Kurt-Weill-Fest in wenigen Wochen der Corona-Zeit trotzen
Schon die Hälfte der Karten für Teil Zwei sind verkauft. Insgesamt sind 26 Veranstaltungen zu erleben - viele davon Open Air.

Dessau-Roßlau/MZ - Kaum ist der Kartenvorverkauf für Teil zwei des diesjährigen Kurt-Weill-Festes gestartet, ist bereits gut die Hälfte der Tickets verkauft - in Summe 3.500. „Wir sind positiv überrascht worden“, sagt Gerhard Kämpfe, Intendant des 2021er Festivals, das wegen Corona gesplittet worden war. Gab es im Februar fünf Konzerte, die nur digital zu erleben waren, setzen er und die Kurt-Weill-Gesellschaft Ende August und Anfang September nun auf ein buntes Programm vor Publikum - vielfach Open Air.
Auf die Spannung, dass das Publikum auf das Angebot vielleicht zurückhaltend reagiert, folgt die Erleichterung. „Streaming ist kein Ersatz fürs Livegeschehen. Das kollektive Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen“, sagt Kämpfe froh, dass die Menschen genau das wollen.
Ein großer Teil des Kurt-Weill-Festes findet draußen statt
Doch für die Macher ist auch Teil zwei des Festivals eine Herausforderung: „Man muss doppelt rechnen“, erklärt der Intendant, „denn niemand weiß, wie die Corona-Auflagen in ein paar Wochen sind.“ In die Rechnung müssen nicht nur künstlerische und thematische Aspekte mit einfließen, sondern auch Hygienekonzept und die richtigen Abstände...
Ein großer Teil des Festivals findet daher draußen statt. „Ich kannte den Tierpark vorher nicht“, gibt Kämpfe zu und schwärmt nun umso mehr von der tollen Kulisse mit dem Mausoleum, wie auch vom Rathaus-Innenhof und vom Restaurant Teehäuschen, wo ebenfalls eine Bühne aufgebaut werden wird. Hinzu kommen das Anhaltische Theater, die Bauhaus-Bühne und die Marienkirche als Veranstaltungsorte.
Nur noch wenige Karten gibt es für den Münsteraner Tatortkommissar Axel Prahl
Und obwohl es noch ein paar Wochen Zeit sind, steigt die Spannung. „Die Künstler freuen sich riesig, endlich wieder spielen zu können“, sagt Kämpfe. Wer ist mit dabei? Das Moka Efti Orchestra gleich zum Auftakt, doch Karten gibt es dafür nicht mehr. Ebenso wenig wie für „Tango & More“ mit Omar Massa und der Französischen Kammerphilharmonie. Nur noch wenige Karten gibt es für den Münsteraner Tatortkommissar Axel Prahl, der mit dem Inselorchester gastiert. Als Schauspieler habe Prahl auch schon in der Dreigroschenoper gespielt. „Und für unser Festival hat er sich extra Weill-Kompositionen gewidmet“, freut Kämpfe diese Reminiszenz.
Und dann ist da Christopher von Deylen, der als „Schiller“ mit seinem unverwechselbaren Elektronik-Sound bekannt ist. Von Deylen, der in den Metropolen dieser Welt gefeiert wird, bringt seine neusten Hits mit. Und auch er, ist Kämpfe begeistert, nähert sich Kurt Weill.
„Wo ist Heimat“ ist in diesem Jahr das Festivalmotto und eines der dräuenden Themen der Welt
Nicht nur mit „Schiller“, auch mit „Spark“ versucht der Intendant gezielt jüngeres Publikum anzusprechen - und ganze Familien. „Bach - Berio - Beatles“ heißt das Programm am Sonntagvormittag, wo „Spark“ zeigen, dass der deutsche Thomaskantor, der italienische Musikpionier und die englische Pop-Gruppe etwas gemeinsam haben - und zwar den Nerv der Zeit getroffen.
Wenn sollte man noch erleben? „Eigentlich alle“, sagt Kämpfe, der 26 Vormittags-, Nachmittags- und hauptsächlich Abendveranstaltungen mit tollen Künstlern, darunter sind Artist in Residence Frank Dupree, das Joja Wendt Trio und die Anhaltische Philharmonie, zusammengestellt hat. Selbst wird Kämpfe auch zu erleben sein, wenn er zusammen mit Karsten Troyke die Lachmuskeln strapaziert und in seinem Element beim Witze-Erzählen ist.
Das alles freilich auch vor einem nachdenklichen Hintergrund. „Wo ist Heimat“ ist in diesem Jahr das Festivalmotto und eines der dräuenden Themen der Welt, wie der Intendant feststellt. Millionen Menschen sind aus verschiedensten Gründen auf der Flucht. Auch Kurt Weill musste fliehen. Was, so die Frage, braucht es, um sich heimisch zu fühlen?