Schließung von Gaststätten Schließung von Gaststätten in Dessau-Roßlau: Experten sehen viele unterschätzte Probleme in der Stadt

Dessau-Roßlau - Zum Jahresende 2017 sorgten die Nachrichten aus der Gastroszene für Unruhe: Pächterhaus, Seeterrassen und Riekchen kündigten ihre Schließung an. Aus unterschiedlichen Gründen. Der Wirt der „Kastanie“ in Mildensee schloss aus Altersgründen seine Gaststätte. Ob es neue Pächter gibt, wird die Zukunft zeigen.
Einfach wird das nicht, weiß Regina Gröger, die mit Kornhaus, Ratskeller und Brauhaus drei Gaststätten betreibt und die Entwicklung der Branche sehr kritisch sieht. „Uns fehlt junges Publikum und junges Personal, besonders hier in Dessau“, schätzt Gröger ein.
Verschlechterte Rahmenbedingungen durch zusätzliche Verordnungen, Auflagen und einem immensen bürokratischen Aufwand würden die Situation zusätzlich erschweren. „Das umzusetzen frisst Zeit, Geld und Arbeitskraft.“
Gaststättengesetz in Sachsen-Anhalt als eine Ursache für häufige Pächterwechsel und Schließungen
Gestiegen seien in den letzten Jahren auch die Kosten für die Betreibung einer Gaststätte. „Das haben viele Neueinsteiger gar nicht im Blick.“ Die Entsorgungskosten seien enorm. Öl und Fett, Futter, Glas, Papier, Mischabfälle: Alles muss extra bezahlt werden. Hinzu komme Energie und die Wartung von Fettabscheider und Lüftung.
Einen Grund für die hohe Fluktuation in der Branche sieht Gröger in den gelockerten Gesetzlichkeiten für die Eröffnung einer Gaststätte. Es müssen keinerlei Fachkenntnisse nachgewiesen oder Bedingungen erfüllt werden. „Jeder traut sich zu, Gastronomie zu machen.“
Auch Lothar Herzog, Sachgebietsleiter im Gewerbeamt, sieht im 2014 in Kraft getretenen Gaststättengesetz Sachsen-Anhalts eine Ursache für häufige Pächterwechsel und Schließungen. Die Gastroszene Dessau-Roßlaus hat sich seit Ende der 1990er Jahre stark gewandelt.
Der Dessauer Gastroszene fehlt die Vielseitigkeit und Originalität
Etwa 90 gastronomische Einrichtungen unterschiedlichster Ausrichtungen haben ihren Betrieb eingestellt. „Dafür gab und gibt es viele Ursachen, aber oft sind die Inhaber mit technischen Kontrollen und Lebensmittelauflagen überfordert“, so seine Erfahrung.
Der Dessauer Gastroszene fehlt die Vielseitigkeit und Originalität ist ein oft gehörtes Urteil. Auch Regina Gröger sieht das so, bekennt aber, sich auch in ihren Häusern nicht traue, neue Konzepte umzusetzen, aufgrund des fehlenden jungen Publikums und der Personalproblematik.
„Vielfalt ist nur dann möglich, wenn sie sich trägt - und das 365 Tage im Jahr“, macht Claudia Schwalenberg, Vorsitzende des Dehoga-Kreisverbandes Dessau-Wörlitzer Winkel aufmerksam. In einer Region, die touristisch sehr saisonbezogen ist, müsse jedes Konzept sehr gut durchdacht sein.
Um erfolgreich zu sein, komme es nicht nur darauf an, Essen in guter Qualität zu haben
Dennoch brauche es stets neue Ideen, um das Geschäft im Gespräch zu halten und Gäste neugierig zu machen. „Die Leute wollen nicht nur essen, sie wollen ein Essen mit Erlebnisfaktor. Und der fehlt bei uns oftmals noch.“
Um erfolgreich zu sein, komme es nicht nur darauf an, Essen in guter Qualität zu haben, auch das Ambiente und die Empathie des Personals seien entscheidend. „Wo es schmeckt, aber der Kellner unhöflich war, geht der Gast nicht wieder hin.“
Die Dehoga-Kreisvorsitzende vermisst bei vielen Kollegen die Selbstreflexion und den Blick über den eigenen Tellerrand. „Das findet nicht genügend statt, ist aber wichtig, um sich am Markt behaupten zu können, denn der Gast möchte nicht immer das Gleiche, sondern er will überrascht werden.“ Viel mehr sollten die Gastronomen und Hoteliers deshalb ihre Stärken herausarbeiten und profilieren.
Kontinuität in der Qualität als Manko, das letztlich Gäste kostet
Die Kontinuität in der Qualität sieht Thomas Wolffgang, Berufsschullehrer für Köche und Vorsitzender des Kochvereins Anhalt-Dessau, als ein Manko, was letztlich Gäste kostet. „Frisch und regional muss der Mindestanspruch sein und das muss jeden Tag in gleicher Qualität geboten werden.“
Claudia Schwalenberg blickt dennoch positiv auf die Branche in der Region . „Das Gefühl für Qualität steigt“, findet sie. Zahlenmäßig hat es in Sachsen-Anhalt per 30. November 2017 ein leichtes Plus bei den Gastrobetrieben gegeben. (mz)