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Schädlinge im Wald Schädlinge im Wald rund um Dessau: Warum das Forstamt dieses Jahr auf chemische Keule verzichten kann

Von Annette Gens 06.09.2020, 12:00
Forstoberinspektor Jürgen Kristin zeigt eine Pheromonfalle, in der die Falter gefangen werden.
Forstoberinspektor Jürgen Kristin zeigt eine Pheromonfalle, in der die Falter gefangen werden. Thomas Ruttke

Dessau - Das Ergebnis zeichnete sich schon vor einigen Tagen ab. Doch mit dem 1. September steht es fest: Das Betreuungsforstamt Dessau muss in seinen Kiefernwäldern in diesem Jahr keine chemische Keule auffahren. Die Schädlinge, die Schmetterlingsarten Nonne und Kiefernspinner, wurden über zwei Monate in einem Monitoring aufwendig überwacht.

Das Ergebnis sei sehr positiv, schildert Forstoberinspektor Jürgen Kristin vom Dessauer Betreuungsforstamt. In den sogenannten Pheromonfallen, die in den besagten Flächen für zwei Monate zwischen dem 1. Juli und dem 31. August an Bäumen an insgesamt 13 Standorten befestigt wurden und mit deren Hilfe die Insekten über einen synthetischen Lockstoff angezogen wurden, fanden sich viel weniger Schädlinge als zunächst vermutet.

Längere Trockenzeiten, verstärkte Witterungsextreme führen vor allem zur Schwächung der Bäume

Wöchentlich hatten Forstarbeiter die Fallen geleert und die darin gefangenen Insekten gezählt. Bei über 1.000 wäre die Alarmstufe rot. Das hieße, man müsste von einem Kahlfraß in den Wäldern ausgehen. Doch es wurden weit weniger Schädlinge gefangen. Bei geringem Schädlingsvorkommen sei die Behandlung der Wälder mit chemischen Mitteln zum Glück nicht erforderlich, sagt Kristin.

Ist der Kiefernwald zum Beispiel in der Gemarkung Oranienbaum oder bei Kemberg, wo sich vor allem die Kiefernschläge des Betreuungsforstamtes befinden, gerettet? Oder stirbt der Wald doch? Kristin hat darauf eine salomonische Antwort. „Der Wald wird sich verändern“, verweist der Waldschutzbeauftragte des Betreuungsforstamtes auf die klimatischen Veränderungen.

Längere Trockenzeiten, verstärkte Witterungsextreme führen vor allem zur Schwächung der Bäume. Insekten und Pilze können vermehrt auftreten und den Bestand weiter schädigen. In Kiefernwäldern sind es neben Borkenkäfern vor allem die Schmetterlingsarten Nonne und Kiefernspinner, die dem Wald zusetzen können.

In erster Linie gehe es dem Forstamt darum, die Wälder zu erhalten

Kristin berichtet über das Monitoring, weil öffentlich meist nur „die Arbeit des Forstamtes in erster Linie mit Holzeinschlägen in Verbindung gebracht“ wird. Doch die Arbeit der Förster umfasst viel, viel mehr, schildert er. In erster Linie gehe es darum, die Wälder zu erhalten, damit auch kommende Generationen vielfältige und gesunde Wälder nutzen können.

Regelmäßig würden Waldareale deshalb auf Schädlinge überwacht. Denn „wir wollen keine Chemie einsetzen, wenn es nicht notwendig ist“. Doch trotzdem sehen sich die Förster manchmal mit Forderungen konfrontiert, gleich zu spritzen. Der Einsatz von Chemie sei jedoch das „allerletzte Mittel“. Ob wirklich die Chemiekeule her muss, zeige das Monitoring.

Die Ergebnisse der Fänge seien dann ein Teil eines mehrstufigen Überwachungssystems

Für den Falterfang macht man sich das Prinzip der chemischen Kommunikation zwischen männlichen und weiblichen Faltern zunutze, indem ein synthetisches weibliches Pheromon im Fallensystem als Köder eingesetzt wird. Damit werden männliche Falter angelockt.

Die Ergebnisse der Fänge seien dann ein Teil eines mehrstufigen Überwachungssystems, erklärt Kristin. Das heißt, es werden bei Überschreitung der Warnschwelle weitere Überwachungsmethoden einbezogen, mit deren Hilfe die konkrete Bestandsgefährdung eingeschätzt werden kann. (mz)

Blick in das Innere einer Falle.
Blick in das Innere einer Falle.
Thomas Ruttke