Rossel fließt über die B 187
Sand, Säcke, Leute und Lkw - alles ist ausreichend vorhanden. Wie aber ist die konkrete Gefährdungssituation von Coswig und Umgebung? "Im Augenblick ist die Situation noch nicht dramatisch", schätzt Bürgermeisterin Doris Berlin ein, "aber wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet." Noch halten die Deiche, auch wenn es Stellen gebe, die schon durchweicht sind. Die wurden mit Sandsäcken stabilisiert und stehen unter ständiger Beobachtung. In ihrem Dienstzimmer im Coswiger Rathaus laufen alle Fäden des gebildeten Krisenstabes zusammen. Während die Bürgermeisterin zu den Stadtwerken, Deichpatrouillen und örtlichen Helferteams Kontakt hält, ist Bauamtsleiter Gerd Boos unterwegs, um Mannschaften in Coswig, Buro und Klieken einzuteilen. Die ganze Stadtverwaltung ist im Einsatz, gut 200 Mann. Und viele Bürger stellen sich freiwillig zur Verfügung. "Über 100 Mann haben sich bereiterklärt, mitzuhelfen", freut sich Boos, "und die Feuerwehren des Landkreises stehen in Bereitschaft."
"Sollte die Pegelspitze uns gegen Sonntag erreichen, und die Deiche halten nicht oder werden überspült, dann wird jede Hand gebraucht." Im Moment sind alle Helfer in ein Schichtsystem eingeteilt. Sie überwachen rund um die Uhr Deichkrone und Deichfuß. "Wir müssen dabei eine Gesamtlänge von 16 Flusskilometern im Auge behalten", verdeutlicht Boos die Dimensionen. Als realistisch schätzt er ein, dass das Coswiger Luch wohl volllaufen wird. Die Bewohner des dort befindlichen Wohnhauses seien aber schon evakuiert worden. Sie hätten Unterkunft bei Verwandten gefunden.
Für den Fall aller Fälle stehen in Absprache mit der Kirchengemeinde Coswig jedoch Notunterkünfte bereit. Großen Bedarf für Coswiger sieht man im Rathaus nicht, aber man sei schon angefragt worden, ob man Leute aus dem Wörlitzer Winkel aufnehmen könne.
Priorität habe im Augenblick die Sicherung einer Pumpstation, die zum Abwassermanagement der Herzklinik gehört. Und die wird unter allen Umständen gehalten, wie Einsatzleiter Joachim Friebel der Bürgermeisterin beim Rapport militärisch salopp mitteilt. Freitag um die Mittagszeit hatte sich das Wasser schon bis zur großen Freitreppe der Unterfischerei herangearbeitet. "Aber das Wasser stand schon höher. Noch kein Grund zur Panik." Das Coswiger Ehepaar Willem schaut sich kurz die Situation vor Ort an, um "im Bilde zu sein".
Gefährlicher könnte es in den nächsten Tagen für Dörfer wie Buro oder Klieken werden. Hier sind ebenfalls Deichwachen eingerichtet. "Wir schieben einen Achtstundendienst mit regelmäßiger Begehung unseres Deichabschnittes", erklärt das Kliekener Ratsmitglied Herta Stier. Zusammen mit Frank Kowalewski und Sven Rohleder hat sie die Tagschicht übernommen.
In der Kliekener Aue sind die Tiere der Milchviehanlage evakuiert worden. Für die noch verbliebenen dortigen Anwohner und jene Hausbesitzer nahe der A9-Autobahnbrücke, bestünde bei Wassereinbruch ein Evakuierungsplan. Herta Stiers Team meldet alle halbe Stunde die aktuellen Beobachtungsergebnisse an den Krisenstab in Coswig. Auch in Buro haben die Einwohner die Elbe fest im Blick. Einen offiziellen Straßendurchlass durch den Deich haben sie mit Brettern, Bauschaum und mehreren Tonnen Sand dicht gemacht.
Unter den Mannen in Zivil fällt ein junger Kerl im Kampfanzug kombiniert mit Gummistiefeln auf. "Meine Einheit hat mir Sonderurlaub gegeben, damit ich in meiner Heimat helfen kann", erklärt der Obergefreite Matthias Roggenbuck, dessen Panzergrenadier-Battaillon in Bad Salzungen stationiert ist. Seine Einheit selbst hilft derzeit in Sachsen.