Raumbühne für 500.000 Euro Raumbühne für 500.000 Euro: Anhaltisches Theater in Dessau verwirklicht Traum von Walter Gropius

Dessau - Walter Gropius hätte sich gefreut. 1926 hatte er das Projekt „Totaltheater“ entworfen, mit einer Raumbühne als zentralem Element. Umgesetzt wurde das Konzept seitdem aber nur selten. Die Oper in Halle überraschte damit 2017 und bekam Lob und Preise. Das Anhaltische Theater in Dessau will anlässlich des Bauhausjubiläums 2019 die Idee nun ebenfalls verwirklichen: Für 500.000 Euro soll auf der Bühne im Großen Haus eine Raumbühne entstehen.
Die Raumbühne besteht aus vier variablen Zuschauertribünen, in deren Mitte sich eine Acht-Meter-Drehbühne befindet. Erstmals bespielt wird sie im September kommenden Jahres. Zu sehen ist in Dessau dann eine Weltpremiere: Wassily Kandinskys posthum erschienene Bühnenkomposition „Violett“.
„Die Raumbühne ist genau das, was das Theater braucht. Es ist ein ganz anderes Format. Es wird damit ein unmittelbares, sinnliches Erlebnis ermöglicht, das es hier in dieser Form noch nicht gab“, sagt Intendant Johannes Weigand. Das Anhaltische Theater sei als eine Guckkastenbühne - also mit klarer Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum - gebaut worden, Gropius' Raumbühne sei ein Gegenentwurf. Im Konzept des Totaltheaters nimmt der Zuschauer am Geschehen teil, er sitzt mittendrin.
Gropius hatte die Raumbühne im Auftrag des Berliner Theaterregisseurs Erwin Piscator entworfen
„Wir können den Entwurf von Gropius nicht einfach nachbauen, er war für 2.000 Zuschauer ausgelegt. Aber wir bauen im kleinen Maßstab eine Bühne, die in die Theater-Kubatur passt“, erklärt Weigand. Für etwa 240 Zuschauer sind die vier Zuschauertribünen ausgelegt, dahinter soll weiterer Platz entstehen. Auf den über 1.000 Plätzen im Zuschauerraum werden keine Besucher sitzen, die Fläche kann aber bespielt werden.
Gropius hatte die Raumbühne im Auftrag des Berliner Theaterregisseurs Erwin Piscator entworfen. Bei der Annahme des Auftrags soll Gropius gesagt haben: „Ein solches Raumtheater hat mich und meine Freunde am Bauhaus schon lange beschäftigt.“ Die fertigen Entwürfe hatte er an Piscator mit der Bemerkung übergeben, es sei das Projekt einer großen „Raummaschine“ entstanden. Ähnlich sieht es Weigand heute: „Das Raumbühnenkonzept bedeutet Flexibilität. Mit den einzelnen Elementen, die man variabel anordnen kann, können wir ganz anders experimentieren“, sagt der Intendant des Anhaltischen Theaters.
Zum Ende der laufenden Spielzeit soll die Bühne erstmals montiert werden
Erste Aufträge sind bereits vergeben. Zum Ende der laufenden Spielzeit soll die Bühne erstmals montiert werden. Die Premiere des Stücks „Violett“ ist für den 13. September 2019 geplant – fünf Tage nach dem Eröffnungstermin für das Bauhaus-Museum in der Kavalierstraße. Fünfmal wird das Stück gespielt, dann erst wieder im Sommer 2020.
„Es wird ein Spektakel“, sagt Weigand. Die Bühnenkomposition Kandinskys sei eine Art Theatercollage. Begonnen wurde sie kurz vor dem Ersten Weltkrieg, 1922 holte Gropius den Künstler an das Bauhaus in Dessau, auch dort arbeitete er weiter am Stück, vollendet wurde es jedoch nie.
In „Violett“ sollen sich Sprache und Bewegung, Licht und Farbe, Musik und Klang auf ganz neue Art verbinden. „Es ist eine expressionistische, visionäre Text- und Szenenskizze“, erklärt Weigand. „Es gibt Dialoge, Regieanweisungen, Beschreibungen.“ Inszeniert wird spartenübergreifend: Schauspiel, Chor, Kinderchor, Ballett und Musiker werden auf der Bühne stehen.
Das Land Sachsen-Anhalt gibt 325.000 Euro, die Stadt 175.000 Euro für das Projekt
Eine Raumbühne nach der Idee von Gropius und ein Stück von Kandinsky - das passe ideal zum Bauhausjahr, sagt Weigand. Die Stadt Dessau-Roßlau hatte die Fördermittel für die Spielstätte beantragt. Das Land Sachsen-Anhalt gibt 325.000 Euro, die Stadt 175.000 Euro. Bau und Planung des Projekts liegen beim Anhaltischen Theater. Derzeit werden aus allen Bereichen Ideen zusammen getragen, wie die neue Bühne bespielt werden kann. „Es gab eine Bauprobe, da ging es zunächst um die Sichtverhältnisse für die Zuschauer.“ Aber auch Licht oder Ton müssen neu gedacht werden.
„Auch wir müssen den Umgang mit der Raumbühne lernen“, so Weigand. Denn diese soll auch über das Jubiläumsjahr hinaus genutzt werden. „Ein bis zweimal im Jahr wollen wir sie aufbauen. An Stücken ist alles denkbar, aber erstmal brauchen wir eigene Erfahrungen.“ (mz)
