Rassistischer Mord vor 20 Jahren Rassistischer Mord vor 20 Jahren: Gedenken an Alberto Adriano im Stadtpark Dessau

Dessau-Roßlau - Drei Neonazis prügeln Alberto Adriano (39) am 11. Juni 2000 in Dessau in den Tod - weil er schwarz war. Adriano hinterlässt eine Frau und drei Kinder.
An ihn wird am Donnerstag in Dessau mit einem Tag der Erinnerung gedacht - genau wie an 13 weiteren Orten in Sachsen-Anhalt der Menschen gedacht wird, die Opfer von Rassismus, rechtsextremen Gedankenguts und Gewalt wurden.
Dazu gehören Morde, Brandanschläge und Übergriffe wie in Hoyerswerda, Rostock, Solingen, Mölln, die Mordserie des NSU und Anschläge wie in Halle.
Gedenken an Opfer rechter Gewalt
Die jüngsten Proteste von Zehntausenden Menschen in zahlreichen Städten seien für sie ein Zeichen dafür, dass Rassismus in Deutschland „endlich zum Thema“ gemacht werde, sagt Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin, die sich unter anderem für Opfer und Hinterbliebene rechtsextremer Gewalt einsetzt. „Rechtsextremismus ist die evidenteste Form von ideologischem Rassismus“, sagt sie.
Auch Deutschland hat ein Rassismusproblem
Im Kampf dagegen fordert Kahane mehr gemeinsames Handeln des Staates und der Zivilgesellschaft. Hintergrund der Proteste war der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA. Auch Deutschland habe mit Rassismus ein Riesenproblem, sagt Kahane. Die Amadeu Antonia Stiftung trägt den Namen eines Angolaners, der im Dezember 1990 in Eberswalde (Brandenburg) getötet wurde.
Jugendliche Skinheads hatten ihn durch Tritte und Schläge so schwer verletzt, dass dieser an den Folgen starb. Drei Täter wurden zu je vier Jahren Jugendhaft verurteilt.
Amadeu Antonio war laut Kahane das erste Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung. Der 28-Jährige war wie Alberto Adriano einst als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen.
Alberto Adriano in Dessau getötet
Der gewaltsame Tod des Mosambikaners in Dessau zehn Jahr später sorgte im In- und Ausland erneut für Entsetzen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) legte an der Gedenkstelle für Alberto Adriano, am Tatort im Dessauer Stadtpark, einen Kranz nieder. Künstler riefen zu Spenden für die Familie auf.
Bürger in Dessau engagieren sich gegen Rassismus
In der Bauhausstadt engagiert sich bis heute ein Netzwerk aus Initiativen, Institutionen, Verbänden, Vereinen, Bürgern, Kirchen, Gewerkschaften und demokratischen Parteien gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, für Weltoffenheit und Toleranz.
Einwohner protestieren gegen Aufmärsche, mit denen rechte Kräfte versuchen, Dessau am Jahrestag der Zerstörung durch die Alliierten im März 1945 für ihre Propaganda zu nutzen.
Rassisten radikalisieren sich
Dennoch gebe es Alltagsrassismus, beschreibt Razak Minhel, Leiter des Multikulturellen Zentrums Dessau, Erfahrungen von Migrantinnen und Migranten in der Stadt und in Deutschland. Das Entsetzen von Gesellschaft und Politik über eine Tat währe nur kurz. „Wie ein Licht, und dann ist es vorbei“, sagt Minhel.
Wie gefährlich rechtsextremistisches Gedankengut sei, zeigten in der jüngsten Vergangenheit das Attentat auf die Synagoge in Halle und der Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, sagt Minhel. Minhel begleitete die Familie von Alberto Adriano in ihrem Schmerz. Die Ehefrau sei bis zu ihrem Tod in Dessau geblieben.
Opfer von Neonazis zu Tode geprügelt
Ihr Ehemann war an Pfingsten 2000 nach einem Besuch bei Freunden auf dem Heimweg durch den Stadtpark. Wenige Hundert Meter vor seiner Wohnung traf er zufällig auf drei junge Männer.
Adriano soll sie aufgefordert haben, leise zu sein, weil Kinder schliefen. Die damals 16 und 23 Jahre alten Männer malträtierten ihn mit Schlägen und Tritten. Adriano starb drei Tage später im Krankenhaus.
Mord aus Fremdenhass: Täter zeigen keine Reue
Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte die von der Bundesanwaltschaft angeklagten Täter am 30. August 2000 wegen gemeinschaftlichen Mordes, darunter den älteren zu lebenslanger Haft. Reue zeigten der Brandenburger und die 16-Jährigen aus Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) - die zu jeweils neun Jahren Jugendstrafe verurteilt wurden - nicht. Als Motiv gaben sie Fremdenhass an.
Asylbewerber Oury Jalloh stirbt in Gefängniszelle
Nach der Ermordung von Adriano sorgte ein anderer Fall aus Dessau für Schlagzeilen: Oury Jalloh. Der Asylbewerber starb 2005 bei einem Feuer in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers. Bis heute gibt es keine hundertprozentige Antwort darauf, wie und warum es passiert ist.
In Sachsen-Anhalt konnten zwei Prozesse gegen zwei Polizisten den Fall nicht restlos aufklären. Jallohs Familie und Initiativen zum Gedenken kämpfen bis heute darum. Sie sehen im Tod des 21-Jährigen aus Sierra Leone Mord und Jalloh als Opfer von Polizeigewalt in Deutschland. (dpa)