Prothese für Kirschbaum Prothese für Kirschbaum: Künstler Thomas Rabisch inszeniert vor dem Bauhaus Dessau

Dessau - Irgendwann will es einer wissen. Eine Weile hatte man in der vor dem Bauhaus sitzenden Gruppe ergebnislos gerätselt, was da wohl auf dem Platz gegenüber geschehe, bis einer sich aufmachte, um zu fragen.
Nun sitzt er neben Thomas Rabisch auf einer Bank und lässt sich das mit dem Kirschbaum erklären und was er, Rabisch, überhaupt so mache. Nämlich Kunst. Stunden zuvor, am Freitag, hatte der Hallenser, Jahrgang 1967, mit seiner Arbeit begonnen. Hat Winkelschleifer, anderes Werkzeug, jede Menge Niete und viele Meter Papp-Kantenschoner aus dem Auto geladen.
Der Kirschbaum auf dem Bauhausplatz ist ziemlich mickrig. Genauer gesagt: Er ist tot. Einige wenige Äste hat er noch, ein paar vertrocknete Blätter ebenfalls - aber es wird nichts mehr. Oder doch: Während Rabisch arbeitet, machen ab und an Passanten halt, erkundigen sich. Ob das Gestell, das er um den Baum legt, diesen wieder heile. Wohl kaum. Die Kirschbaum-Prothese ist Kunst.
Thomas Rabisch hat auch schon Panzersperren vor dem Bürohaus der Rentenversicherung platziert
Er ist, eingeladen vom Büro Otto Koch im Kiez, als Künstler das erste Mal in Dessau aktiv. Die Sache mit dem Kirschbaum ist typisch für ihn: Nahezu immer entstehen seine Arbeiten im öffentlichen Raum und oft haben sie eine geringe Halbwertszeit. Wenn sie von sich aus zerfallen oder beschädigt werden: Sei es drum, die Arbeiten leben in Fotos fort.
Manche seiner Aktionen sind subversiv, hintersinnig und ziemlich lustig. Etwa die Sache mit den Panzersperren vor dem Bürohaus der Rentenversicherung. Rabisch hat nicht gefragt, ob er die dort aufstellen darf, weshalb es auch ein bisschen Ärger gab. Schließlich standen die Panzersperren - die er aus Styropor gefertigt hatte.
Stück um Stück wächst die Prothese um den Kirschbaum. Die Konstruktion ähnelt einem windschiefen Gittermastkran, umschließt den Baumstamm und kragt dann weit nach Südwesten aus, als handele es sich um eine Hilfestellung für den Baum: Bitte hier entlang wachsen.
Ab 6. August werden weitere Arbeiten von Thomas Rabisch ausgestellt
Am Abend steht die Prothese. Rabisch läuft um sein Werk, beäugt eine Stelle, an der das verbaute Kantenschonerprofil ziemlich geknickt wirkt. „Ist ja peinlich“, sagt Rabisch und ersetzt es durch ein neues Teil.
Ab Dienstag, 6. August, sind in der Wissenschaftlichen Bibliothek Dessau, im Foyer des Palais Dietrich, Zerbster Straße 35, Fotografien weitere Arbeiten von Thomas Rabisch zu sehen. An diesem Tag gibt es dort von 17 bis 18 Uhr auch ein Gespräch mit dem Künstler. (mz)
