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Pflegegeld Pflegegeld: Nicht zuständig?!

24.07.2012, 15:49

Dessau-Rosslau/MZ/TST. - Dana Walter ist Außenstehende. Und gleich zwei Jugendämter - das in Dessau und das im bayrischen Weilheim-Schongau - versuchen seit Monaten, ihr auseinanderzusetzen, warum nicht sie, sondern die jeweils andere Behörde zuständig ist. Man kann auch nicht sagen, dass sie sich nicht bemühten, der Frau zu helfen. Beide Seiten gaben ihr den Tipp, doch die andere Seite zu verklagen. Diese Art Hilfestellung ist Dana Walter zu wenig: "Kein Jugendamt fühlt sich zuständig", resümiert sie ihre Erfahrungen nach rund anderthalb Jahren. Inzwischen liegt ihre Sache beim Anwalt.

Die Geschichte reicht noch weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 2010. Damals wurde immer offensichtlicher, dass Walters in Dessau lebende Tochter mit der Erziehung ihres Sohnes Nick heillos überfordert war. Das Jugendamt Dessau reagierte recht zügig und konsequent, nahm den Jungen in Obhut, was fast immer eine komplizierte und ambivalente Entscheidung ist, deren Hintergründe aber im konkreten Fall hier ebenso wenig eine Rolle spielen sollen wie die Frage, ob von Amts wegen eine Anzeige hätte erfolgen müssen oder nicht und wenn ja, gegen wen, und was möglicherweise Partner der Tochter mit der Situation des Jungen zu tun hatten.

Es vergingen einige Wochen, bis Dana Walter vom Schicksal ihres Ende 2008 geborenen Enkels erfuhr. Für sie war klar: Wenn schon nicht bei der Mutter, sollte der Junge in der Familie der Großmutter aufwachsen. "Das wollte auch meine Tochter so."

Seit 3. November 2010 lebt der Junge nun in Schwabbruck, seine nachgeborene Schwester folgte. Das örtlich zuständige Jugendamt vom Landkreis Weilheim-Schongau befand, die Kinder seien bei Dana Walter und ihrem Partner gut aufgehoben.

So weit, so gut, jedenfalls im Großen und Ganzen. Wirklich heikel wurde es, als Dana Walter Pflegegeld beantragt. Das steht ihr gesetzlich zu, schließlich hat sie Mehraufwendungen für Kinder, die nicht die ihren sind, für die sie freiwillig Verantwortung übernommen hat. Falko Lachmann: "Dass es erzieherischen Bedarf gibt, das ist unstrittig." In Oberbayern sieht man das auch so. Dana Walter wurde bestätigt, dass sie Anspruch auf finanzielle Unterstützung habe.

An Verständnis mangelte es also nicht, wohl aber an der Zahlungsbereitschaft. Dana Walter: "Die schieben sich das gegenseitig zu." Dabei glaubte sie noch bis Anfang des Jahres, in Dessau erfolgreich zu sein. Eine - inzwischen pensionierte Jugendamtsmitarbeiterin - habe ihr telefonisch versichert, "das mit der Pflegschaft sei durch und hat einen schriftlichen Bescheid angekündigt". Ein viertel Jahr zuvor, Mitte Oktober 2011, hatte das Amtsgericht Weilheim Dana Walter zum Vormund ernannt.

Dass Walter bis heute kein Geld bekommt, ist kein Einzelfall. Geregelt ist die Zuständigkeit für Zahlungen im Paragrafen 86 des achten Sozialgesetzbuches. Wer diesen liest, muss dem Dessauer Jugendamtsmitarbeiter Falko Lachmann beipflichten: "Jugendhilfe ist kompliziert." 628 Wörter zählt dieser Paragraf - Artikel 1 des Grundgesetzes kommt mit 57 aus.

Mit Spannung wurde deshalb unter Fachleuten ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwartet, das im Streit zwischen zwei Landkreisen Klarheit schaffen sollte, wer nun eigentlich wann zu zahlen hat. Die Sache ist kompliziert und reicht ins Jahr 2003 (!) zurück. Ergebnis des im Dezember 2011 veröffentlichten Urteils: Wer zuerst zahlt, zahlt auch bei Umzügen des Hilfeempfängers zunächst weiter.

Zuvor war das nie so konkret geregelt, die Ämter versuchten in solchen Fällen gern, den Paragraphen in ihrem Sinne zu interpretieren und sich aus möglichen Zahlungsverpflichtungen zu winden.

In Dessau nun sieht man sich durch dieses Urteil in der Position gestärkt. Man habe nicht vorm Umzug gezahlt, also sei Weilheim-Schongau in der Pflicht. Dort sieht man das keineswegs so, interpretiert das Urteil genau entgegengesetzt, verweist mithin auf Dessau und gibt sich einige Mühe, Dana Walter mit juristischen Argumenten zu beschicken.

Auch Walters Anwalt Partrick Behausencourt hält die Stadt Dessau für zuständig und will deshalb juristisch gegen die Kommune in Sachsen-Anhalt vorgehen, in der Nick zuvor gelebt habe. Würde diese Auffassung gerichtlich bestätigt (und Dessau eine solche Entscheidung akzeptieren), wäre Dessau für zwei Jahre zur Zahlung verpflichtet. Doch nach Ablauf dieser Frist, wäre Weilheim-Schongau dran.

Zumindest scheint dies das Gesetz zu sagen. Ob man das in Anhalt oder Oberbayern auch so sieht, ist eine ganz andere Frage.