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Osternienburger Wasserturm Osternienburger Wasserturm: Ein Tag zwischen Trauer und Freude

Von Sylvia Czajka 13.03.2003, 18:07

Osternienburg/MZ. - Jeder lebe in seiner Welt. Und die hier in Osternienburg ist eben eine kleinere, überlegt Klaus Meier. Der 72-Jährige wendet für Momente seinen Blick ab von dem, was ihm nah geht, wie wohl am Donnerstag allen Osternienburgern.

"Das Zeitalter der Industrie ist vorbei", sagt er. Und der Abriss sei ein Symbol für den Abschluss einer Entwicklung. Damals, als er von Osternienburg hörte, da hieß es, Osternienburg, das ist doch die größte Industriegemeinde im Kreis Köthen. Sie ist es nicht mehr. "Erst wurden die Schornsteine gesprengt, jetzt wird unser Wasserturm abgerissen", meint Dorothea Wettig. Stück für Stück. "Unser Wahrzeichen geht. Es wird mir etwas fehlen." Denn ihr Zuhause war immer da, wo der Wasserturm stand. So lange sie denken kann. Das Zuhause ist geblieben, der Turm muss nun weichen.

Am Donnerstag nun hat er an Größe verloren. Denn der etwa acht Tonnen schwere Wasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von 100 Kubikmetern, den das Bauwerk auf seinen Schultern trug, wurde abgehoben. Einfach so.

Mit im Spiel waren die Hände von Kranführer Heiko Liedthe. Ruhige Hände. Denn die braucht man schon, sagt jener Mann, der am Donnerstag beim traurigen Ereignis für Osternienburg Grund zur Freude hatte.

Der Mann aus Magdeburg beging seinen 41. Geburtstag, und was für ihn das Wichtigste war: "Alles klappte wie am Schnürchen." Das sei nicht immer so, erzählt er, Kollegen von ihm seien mit dem Kran, der einen Ausleger von 56 Metern hat, schon mal umgekippt. "Ich, Gott sei dank noch nicht." Und das soll auch so bleiben. Mit seinem millionenschweren Arbeitsplatz habe er schon von der Badewanne bis zur Windmühle alles angehoben und auch wieder abgesetzt.

In den kommenden Tagen wird der Metall-Behälter am Boden zerschnitten und verschrottet. Wieder Stück für Stück.

Wie Walter Thiele, Verantwortlicher für die Solvay-Liegenschaft im Bereich Ost informiert, werden die Abrissarbeiten noch bis Ende April andauern. Dann wird nichts mehr so sein, wie es fast ein Jahrhundert war. "Das letzte Osternienburger Wahrzeichen geht", bedauert Roland Stefaniak. Von klein auf an habe es ihn durch sein Leben begleitet. "Es ist einfach schade."

Stefaniak sieht die Versäumnisse in der Vergangenheit. Zu DDR-Zeiten. Niemand habe sich damals um das Gebäude gekümmert. Es verfiel mehr und mehr. "Und jetzt ist nichts mehr zu retten."

"Es tut mir wahnsinnig leid", formulierte Osternienburgs Bürgermeister Gerd-Peter Bartosch, der wie viele Menschen, denen das Wahrzeichen durch gute wie durch schlechte Zeiten begleitete, auf seine Weise Abschied nahm.