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Neuer Bewohner des Palais Minckwitz in Dessau  Neuer Bewohner des Palais Minckwitz in Dessau : Prinz Eduard von Anhalt kehrt zurück

Von silvia bürkmann 28.01.2016, 21:23
Eduard Prinz von Anhalt und Carl Ludwig Fuchs im Palais Minckwitz.
Eduard Prinz von Anhalt und Carl Ludwig Fuchs im Palais Minckwitz. SEBASTIAN Lizenz

Dessau - „Jetzt bin ich zurückgekehrt an meine Wurzeln. Mit einem guten Gefühl.“ Das sagt Eduard Prinz von Anhalt. Der Spross deutschen Uradels, Chef des Hauses Anhalt-Askanien und Großmeister des askanischen Hausordens Albrechts des Bären hat einen (Zweit)Wohnsitz in Dessau genommen, in der Stadt seiner Vorfahren.

Oberbürgermeister Peter Kuras hatte seinen „Neubürger“ anlässlich des traditionellen Neujahrsempfangs im Anhaltischen Theater offiziell willkommen geheißen. „Hier ist mein Herz zu Hause, der Verstand hält mich noch in Berlin“, lächelt der 74-jährige von Anhalt ein paar Tage danach. Schließlich arbeite er als Autor und Publizist und brauche dafür den direkten Zugang und Zugriff zu den großen Bibliotheken der Deutschen Geschichte, so in der Deutschen Nationalbibliothek und der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Eine Doppelbiografie soll es werden und für die Nachwelt sowohl die eigene Geschichte festhalten als auch die des Vaters.

Abdankung und Thronverzicht

Joachim Ernst von Anhalt (1901-1947), rechtmäßiger, aber beim Tod des Vaters 1918 noch minderjähriger Thronfolger, wurde nominell zum letzte Herzog Anhalts, erlebte in der stürmischen Zeiten der Novemberrevolution Abdankung und Thronverzicht der anhaltischen Fürstenfamilie und das Ende von der siebenhundertjährigen Askanierherrschaft in Mitteldeutschland. In der neuen Staatsform der Weimarer Republik kamen die anhaltischen Gebiete als Freistaat Anhalt zum Deutschen Reich. Joachim Ernst von Anhalt wurde als deutscher Bundesfürst proklamiert. Das Schloss Ballenstedt blieb nach 1918 der Familie als Wohnsitz erhalten. Hier erblickte 1941 als jüngstes von fünf Kindern auch Eduard das Licht der Welt.

Grausame Wirren der Nazi-, Kriegs- und Nachkriegsjahre rissen den Vater von der Familie. Joachim Ernst von Anhalt wurde Anfang 1944 von den Nazis ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands standen vor dem durch Dachau-Erfahrung zum Nazigegner gereiftem Adelsspross erneut gestiefelte Uniformierte. Die sowjetische Militäradministration verhaftete den „Gutsbesitzer“, verhörte ihn in Halles Rotem Ochsen. Nach Verlegung in das Speziallager Torgau wurde der schwer Erkrankte nach Weihnachten 1946 noch einmal überführt: In das Lager Buchenwald, „wo der gerade 46-Jährige im Februar 1947 umgebracht und verscharrt wurde. Die Nazis sperrten Juden ins KZ, die Machthaber nach ihnen die Adligen“, so von Anhalt.

Dieses Trauma hat die Kinder belastet. Heute lebt neben Eduard nur noch die 1940 geborene Schwester Edda. Die älteren Schwestern Marie Antoinette und Anna Luise waren im 1993 Alter von 63 und 2003 mit 70 Jahren gestorben. Eduards älterer Bruder Leopold Friedrich (geboren 1936) war bereits mit 25 Jahren bei einem Autounfall schwer verunglückt und an den Folgen verstorben. Seit dessen Tod 1963 ist Eduard Prinz von Anhalt Chef des Hauses Anhalt-Askanien.

Tag der Versöhnung

Die Jahrzehnte der deutschen Teilung standen für die Anhaltiner immer unter dem Zeichen bittersten Verlustes. Vergessen aber haben die Kinder Anhalts ihre Wurzeln im Osten Deutschlands nie. Und stets aufrechterhaltene Kontakte und Verbindungen nach der Wende 1990 neu geknüpft.

So wurde 2007 anlässlich des 60. Todestages von Herzog Joachim Ernst auf dem Gelände des Lagers Buchenwald bei einer Gedenkfeier symbolisch Erde aus dem Gräberfeld in eine Urne mit seinem Namen gefüllt. Diese Urne wurde anschließend von Familienmitgliedern am Rad des Ballenstedter Schloßhofes beigesetzt.

Zu gleichfalls würdigem Anlass wiedergesehen haben sich die Anhalt-Nachfahren im März 2014 in Dessau. In der Marienkirche wurden die sterblichen Überreste der Familie von Anhalt-Askanien wieder in ihrer ursprünglichen Grablege aufgenommen. Eine lange Irrfahrt durch die Jahre von Krieg, Zerstörung und Nachkrieg fand zu ihrem Ende.

Eben diesen Sonntag im März nämlich nennt Eduard Prinz von Anhalt ausdrücklich einen „Tag der Versöhnung“ statt der Trauer. Jetzt könne die Familie mit ihrem Schicksal abschließen und zur Ruhe finden. Die beginnende Heilung alter Wunden verband der Adelsspross allmählich mit dem Gedanken für einen neuen Wohnsitz. Am alten Stamm in Dessau.

Dort verweben sich nun uralte Familienbeziehungen zu einem neuen Bund: Eduard von Anhalt hat in Dessau noch Verwandtschaft: Carl Ludwig Fuchs, studierter Kunstwissenschaftler, Historiker und im Bayrischen Rundfunk mit der Sendung „Kunst und Krempel“ bekannt. Über x-fache Ecken durch dreieinhalb Jahrhunderte. Hinter ihnen aber steht ein gemeinsamer Vorfahr. Und zwar LeopoldI., der Alte Dessauer (1676-1747). Noch eine Generation tiefer eingetaucht, haben Eduard Prinz von Anhalt und Carl Ludwig Fuchs sogar identische Ur-Ahnen - in Johann Georg II. von Anhalt-Dessau und Henriette Catharina von Nassau-Oranien.

Wiedersehen im Palais

Der Kunsthistoriker von heute (70) entstammt einer unehelichen Nebenlinie, die einer späten Beziehung des Alten Dessauers zu einem bürgerlichen Mädchen entspross (nach Ableben der Fürstin Louise 1745). Die junge Dame wurde verheiratet, ihr Ehemann zog das natürliche Kind Leopolds als sein eigenes auf. Beide Seiten vereinbarten Stillschweigen über das Arrangement. Diese „Linie“ erhielt das kleine Palais Minckwitz im Johannisviertel. Und dort saßen sich gestern die Ur-Abkömmlinge vom Alten Dessauer gegenüber. (mz)

Das Denkmal des Fürsten Leopold steht vor dem Archiv.
Das Denkmal des Fürsten Leopold steht vor dem Archiv.
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