1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Nachhaltigkeit im Innehalten

Nachhaltigkeit im Innehalten

Von Carla Hanus 25.05.2007, 17:32

Dessau/MZ. - Und so lotste der elfjährige Gymnasiast den 54-jährigen Vizepräsidenten des Umweltbundesamtes einen Nachmittag lang durch das Georgium und den Beckerbruch bis zur Wallwitzburg, bis zur Elbe.

Martin Brandt und Thomas Holzmann sind nur eines der etwa 70 Gesprächspaare, die sich seit Februar dieses Jahres an dem Kunstprojekt "This this" des deutsch-britischen Künstlers Tino Sehgal beteiligt haben. Noch zweimal so viele sollen bis zum Jahresende dazu kommen. Dann allerdings mit Kindern aus dem Philanthropinum und aus der Friedensschule. Während die ersten 70 Mädchen und Jungen die Klassenstufe sechs des Liborius-Gymnasiums besuchen.

Dessen Direktor ist von dem Projekt begeistert. Er habe sich schon immer einen Kontakt zum Umweltbundesamt gewünscht. Schon als er von dem Vorhaben hörte, war er überzeugt: "Das passt zu uns."

Nachhaltigkeit, auf die das Uba orientiere, habe an dem Gymnasium in freier Trägerschaft eine lange Tradition, erklärte Benedikt Kraft. Die Schöpfung achten, sie bewahren, sie erhalten, das sei Bildungsauftrag. Deshalb gefiel ihm die Idee, das Leben in die Schule zu holen und die Schule ins Leben. Nur dass dieser Austausch zwischen Schülern und Uba-Mitarbeitern ausgerechnet Kunst sein soll, da habe er noch seine Zweifel.

Martha Hölters-Freier, die im Uba für Kunstausstellungen verantwortlich zeichnet und als Koordinatorin für den Künstler Tino Sehgal fungiert, sieht das anders. Klar hätte es auch ein Schulprojekt sein können, räumt sie ein. Um gleich anzufügen: "Doch ein Projekt in dieser Radikalität, dass jeden Tag ein Mitarbeiter mit einem Schüler verbringt, das hätte sich keiner von uns vorstellen können." Eine solche weitreichende und tiefgreifende Idee, die könne ihren Impuls nur in der Kunst bekommen.

Sie kennt auch die Skepsis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Uba gegenüber diesem Projekt. Doch alle, die einen solchen Tag mit ihrem Kunstkind erlebt haben, seien positiv überrascht gewesen, erzählt Martha Hölters-Freier. Erfahrungen und Arbeitszusammenhänge seien in der Behörde oft durch Gesetze und politische Anregungen bestimmt. Durch den Vormittag mit den Elf- bis Zwölfjährigen hier sei die ganz einfache menschliche Begegnung auf eine besondere Weise in den Vordergrund gerückt. Es kam zu einem Moment des Innehaltens.

"Die Schwingungen, die ich kriege, sind sehr gut", reflektiert auch der Künstler Tino Sehgal selbst dieses erste Drittel des Projekts. Er habe zwar am wenigsten den direkten Zugang, denn er begleite die Paare ja nicht, aber der Verlauf übertreffe seine Erwartungen. Nun ist Sehgal gespannt, wie das Vorhaben mit den Mädchen und Jungen aus den anderen Schulen funktioniert.

Auch Thomas Holzmann, der Vizepräsident des Umweltbundesamtes, sieht dem weiter gespannt entgegen. Das Kunstprojekt helfe Antworten zu finden auf die Frage "Wie schaffen wir es, dass die Menschen die Idee der Nachhaltigkeit zum Gegenstand ihres eigenen Handelns machen?", meint Holzmann. Und: "Im übrigen macht es unendlich viel Spaß."

Was auch Annina Bode bestätigt. Die Zwölfjährige aus Brambach hatte sich dafür entschieden, ihre Gesprächspartnerin am Nachmittag mit in die Schule zu nehmen. Um die lange Busfahrt in ihren Heimatstadtteil zu umgehen. So lernte Johanna Wurbs, die noch nicht in Dessau wohnt, den Töpferkurs am Gymnasium kennen. Während Annina nun weiß, dass sich die wissenschaftliche Angestellte im Fachgebiet "Stoffbezogene Produktfragen" unter anderem mit Flammschutzmitteln im Computer beschäftigt und dass im Umweltbundesamt Bäume wachsen.