Nach Pachtende Nach Pachtende: Rentner-Paar soll Gartenlaube abreißen - KGV-Verband in Dessau-Roßlau verklagt sie

Dessau/Grosskühnau - Die Fotos sind säuberlich in eine Mappe einsortiert. Der Mandelbaum. Magnolien. Die Kirschen. Farbenfrohe Gewächse, abgelichtet an sonnigen Tagen im Kleingarten. Hannelore H. sitzt auf ihrem Balkon und blättert durch die Klarsichtfolien. „Die habe ich auch noch mit Krücke gepflegt, diese Rose“, sagt sie. Ihren vollständigen Namen möchte die Rentnerin nicht in der Zeitung lesen. Denn die Parzelle im Großkühnauer Kleingartenverein „Harmonie“ bereitet dem Ehepaar H. längst keine Freude mehr. Nachdem die beiden den Garten vor bald drei Jahren aus gesundheitlichen Gründen kündigten, ist er zum Streitfall geworden. Jetzt verklagt der Dessauer Stadtverband der Gartenfreunde die Rentner im Auftrag der „Harmonie“.
Dachverband fordert Rentner per Klage auf, die Gartenlaube abzureißen
Der Grund dafür ist ebenfalls auf einem Bild in der Fotomappe zu sehen. Ein Bau mit weißer Fassade, drumherum ein gepflasterter Weg. Die Laube des Ehepaars, 2002 vom Vorpächter erworben, steht noch immer vor Ort - und das stört den Kleingartenverein. Sein Dachverband fordert die Rentner per Klage dazu auf, das rund 30 Quadratmeter große Gebäude abzureißen.
Auch die hölzerne Finnhütte und sämtliche verbliebenen Pflanzen sollen aus dem Garten verschwinden. Andernfalls, so steht es in der Klageschrift, müssten die Eheleute 4.500 Euro zahlen. Viel Geld für die beiden. „Wir sind Rentner und haben keine zusätzlichen Einnahmen“, sagt Helmut H. Gebrechen schränkten ihn und seine Frau mittlerweile stark ein.
Joachim Ullrich sieht das Ehepaar trotz allem nicht in der Opferrolle. „Sie können ihr Privateigentum nicht einfach anderen überhelfen“, sagt der Vorsitzende des Stadtverbands der Gartenfreunde. „Die Räumung obliegt dem Pächter.“ Findet sich kein Nachmieter, müssen Gärten in der „Harmonie“ nach zwei Jahren vollständig geleert werden. So steht es im Pachtvertrag. Dass ehemalige Pächter zum Abriss einer Laube verpflichtet werden können, hat der Bundesgerichtshof 2013 bestätigt. „Die Räumungsklage ist durchs Gesetz gedeckt“, sagt Ullrich.
Ein ungewöhnlicher Schritt bleibt der Weg vor Gericht aber
Ein ungewöhnlicher Schritt bleibt der Weg vor Gericht aber. Das sieht auch der Verbandsvorsitzende so. „Sie sind die Ersten und bisher Einzigen, bei denen wir das machen“, sagt er. Normalerweise finde sich eine Lösung. Das Ehepaar habe die Klage aber selbst verschuldet. Es habe zunächst verbotene Waldbäume hinterlassen, mittlerweile werde der Garten nicht mehr gepflegt. Und: Das Ehepaar „kümmert sich um keinen Käufer für sein Eigentum“. Seines Wissens hätten die Rentner bloß einen einzigen Interessenten vorgebracht; diesen habe der Verein aber abgelehnt.
Dieser Darstellung widerspricht das Ehepaar H. Man habe zwischen 2017 und Anfang 2018 per Zeitung, Internet und Aushang gesucht und insgesamt drei interessierte Nachmieter präsentiert. „Es hätte nicht so weit kommen müssen, wenn der Verein einen von den Bewerbern genommen hätte“, sagt Hannelore H. Doch alle drei seien abgelehnt worden.
Ein entsprechendes Schreiben an einen der Interessenten konnte die MZ einsehen. Man sei „zu der Überzeugung gekommen, dass die Übernahme dieses Gartens sie überfordern würde“, heißt es darin. Die Kosten seien nicht überschaubar: Beiträge, Sicherheits- und Stromvorauszahlungen, auch fürs Entfernen der Waldbäume müsse der Nachmieter aufkommen. Man habe kein gutes Gefühl dabei, den Garten in bestehendem Zustand weiterzugeben. Zum Schluss wird vorgeschlagen, sich in anderen Kleingärten umzusehen.
Der Vorstand müsse „Schaden vom Verein abhalten“
„Die haben sie verschreckt“, sagt Hannelore H. über den Umgang mit ihren Interessenten. Einem sei beim Termin ein anderer leerer Garten in der „Harmonie“ angepriesen worden. Dabei habe das Paar im Laufe der Zeit mehrere tausend Euro investiert und zunächst eine Hecke, später auch die Waldbäume - zu hoch gewachsene Koniferen - entfernen lassen. Der Garten sei bis 2018 gepflegt worden. „Wir haben alle ihre Wünsche erfüllt“, sagt Hannelore H., die selbst einige Jahre lang Vorsitzende der „Harmonie“ war. Warum die Bewerber abgelehnt wurden, versteht sie nicht.
Verbandsvorstand Ullrich stellt sich in dieser Frage hinter den Gartenverein. „In Zeiten des Leerstandes wird man jemanden nicht ohne Grund abweisen“, sagt er. Manchen Interessenten fehle das nötige Geld oder der Wille, den Garten tatsächlich zu bewirtschaften. Der Vorstand müsse „Schaden vom Verein abhalten.“
Der Streit um den Garten wird nun vorm Dessauer Amtsgericht entschieden
Ein Zusammenhang mit dem Nachbargarten in der „Harmonie“ sei ihm nicht bekannt. Dort entsteht nach MZ-Informationen aus Vereinskreisen ein Gemeinschaftsbereich. Für die Parzelle der Familie H. sei aber keine Umnutzung beim Verband beantragt worden, so Ullrich.
Der Streit um den Garten wird nun vorm Dessauer Amtsgericht entschieden. Darauf bereitet sich auch das Ehepaar H. vor. Rechtsanwalt Oliver John sitzt an diesem Vormittag mit den beiden auf dem Balkon. „Es ist nicht nachzuvollziehen, dass man Menschen so in die Mangel nimmt“, sagt er. „In Deutschland steht jeder zweite Kleingarten leer. Durch solches Verhalten verschreckt man neue Mitglieder.“
Beim Prozess, der noch nicht angesetzt ist, werde er sämtliche Kniffe nutzen. Wünschenswert sei aber eigentlich, dass die Parteien sich noch vorher einigten. (mz)
