Mond scheint in den Keller
Dessau/MZ. - Vom Wiener Sarkasmus zum "Clown des Bebop", von Georg Kreisler bis Dizzy Gillespie wird dann doch geträumt. Der Mond geht immer wieder auf und die Liebe immer wieder unter. "Stoßseufzer in bewegter Nacht - ein Liederabend der unüblichen Art" hatte am Sonntag im Studio des Anhaltischen Theaters Premiere: Schauspielerin Julia Zabolitzki sang und las, Beate Mühlhölzl spielte Klavier und Sascha-Paul Stratmann Kontrabass.
Die künstlerische Leitung hatte Schauspielkollege Philipp Wirz, der Mann, der neben Zabolitzki auch den Romeo spielt. Mathias Wulff machte aus dem Bühnenbunker eine Kellerklause, ein wenig wein- und parodieselig, reif fürs Couplet, für den Tucholsky-Text und die Hollaender-Musik, für den Titelsong und andere Befindlichkeiten. Eines Conférenciers bedarf es nicht. Die kurzweiligen Nummern sind in sich selbst verstrickt, Frau und Mann und was dazwischen liegen mag oder daneben und darüber scheint, der Mond zum Beispiel.
Gerade noch in heller Angst vor dem eigenen Traum wird die Stimme der Schauspielerin weich und warm: "Round Midnight", beseelt sollte man sagen. Dann kriegt sie's im Magen: "Schon als Mädel war ich immer so erregt" ("lag da was, was einer achtlos hingelegt"). Friedrich Hollaenders "Kleptomanin" klaut ganz unverhüllt und skrupellos. Dann wird philosophiert, und dieser Ernst ist schön: "Als ich mich nach dir verzehrte" von Erich Fried. Da geht es um Vor- und Nachspeisen und was im Magen sei, so man sich verzehrte, oder wo er sei, der eben innen war.
"Du meine kleine Unterwelt", wieder Kurt Tucholsky, "Sie zu Ihm". Drei Strophen lang glaubhaft: "Wer mehr liebt, der muss mehr leiden". "Der Barbarasong" besticht. Und weiter und irgendwann Jacques Brels "Ne me quitte pas", betörend, mädchenhaft, "verlass mich nicht", ein wenig mitleidig auch. Geblieben sind gleich alle, ob sie nun an Tischen sitzen oder sich in fernen Reihen recken. Dann geht der Mond auf und durch die Jahrhunderte, mit Stings "Moon over Bourbon Street", mit Joseph von Eichendorffs "Mondnacht". Und leise heult der Wolf: "Es war als hätt' der Himmel die Erde still geküßt". Ein Fragment aus Dostojewskis "Weiße Nächte" gibt es neben anderem auch noch. Bei aller Vielfältigkeit bleibt alles klug verwoben, gut genießbar und kurzweilig sowieso. Gillespie erklingt zum Schluß: "Night in Tunesia". Der Bassist, man weiß es längst, spielt federleicht und hoch vergnüglich. Alle drei sind gut zusammen, und Julia Zabolitzki wechselt ganz entspannt die Temperamente. Licht und kraftvoll ist ihre Stimme ohnehin, zuweilen auch betörend anschmiegsam. Die Ironie wird trefflich rationiert. Die große Weite, die kleinen Nuancen, alles da. Das kann man sagen, auch ohne jede Angst vor Kreislers Drohwort zu Beginn. "Und das Ende ist immer Verzicht." Jawohl, Herr Mackeben, jawohl, Herr Beckmann: "Nur nicht aus Liebe weinen". Und bitte, vor allem, nicht träumen aus Wut.