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Mitten im Frühling gejazzt

Von Heidi Thiemann 03.11.2006, 18:47

Santiago/Dessau/MZ. - Nette Leute, tolle Musik

Ein Land, das mit seiner Natur begeisterte und mit seinen Menschen, die die jungen Deutschen aus Dessau, Roßlau, Thalheim und Mochau bei Wittenberg herzlich aufgenommen haben, egal, an welchem Reiseziel sie sich gerade befanden. Ein Land, in dem die Uhren durchaus anders ticken als zu Hause. Immer nach dem Motto: "Mal gucken, was gerade passiert", wie Sebastian Socha, 23-jähriger Lehramtsstudent und Trompeter, lachend erzählt. Und Lukas Benecke (Saxofon), mit seinen 13 Jahren der Jüngste, schwärmt: Die Sage, dass Gott, als er die Welt erschaffen hatte, von allem noch was übrig hatte und dies von seinen Engeln hinter die Anden kippen ließ, müsse wahr sein. Urwälder, Wüsten Berge, Vulkane, Flüsse und Eis - von allem gibt es dort etwas...

Vor allem aber gibt es dort Leute, die fantastisch Musik machen, und unterstützt vom Goethe-Institut die Big Band aus Anhalt eingeladen haben, Chiles Faszinationen kennen zu lernen, das Leben in chilenischen Familien zu erleben und vor allen Dingen, um gemeinsam auf der Bühne zu stehen. "Wir waren neugierig aufeinander", sagen die Leiter der Conchali Big Band, Gerhard Mornhinweg, sowie der Jugend Big Band Anhalt, Detlef Metzner, unisono und bedauern, dass die Zeit am Ende zu kurz war.

Kaum am 20. Oktober aus dem Flugzeug in Santiago gestiegen - mehr als 30 Stunden nach der Abfahrt in Dessau - erwartete die Musiker aus Anhalt schon die erste Probe. Jetlag hin oder her, Müdigkeit zählte nicht, denn am Sonntag war das erste Konzert in Valparaiso, Chiles bedeutendster Hafenstadt und "Nabel zur Welt". Und in einer Hafenstadt ist die Mole die erste Bühne für die Saxofonisten, Posaunisten, Trompeter (darunter Italo von der Conchali Big Band) und die Rhythmusgruppe. Wer mittags um 12 Uhr gerade im Hafen ist, bleibt stehen, nimmt auf einem der zahlreichen Stühle und Sitzgelegenheiten Platz. 500 Besucher werden geschätzt. "Ob das in Deutschland wohl auch so klappen würde?", fragt sich Alexander Neumann (Saxofon), angetan vom regen Interesse.

Doch Valparaiso erstaunt noch mehr. Etwa mit der deutschen Feuerwehr, die 1851 gegründet wurde. Und zum ersten Mal bekommen die jungen Musiker eine Ahnung davon, wie auch deutsche Auswanderer ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Land am Ende der Welt mit prägten. Später im Süden sollten sie unter anderem noch das "deutscheste" Städtchen Frutillar kennen lernen, das anmutet wie aus dem Schwarzwald. Dass ausgerechnet hier ein Hotel "Frau Holle" zu finden ist, scheint da schon nicht mehr zu verwundern.

Auf in den Süden heißt es also in den folgenden Tagen. Conception und Puerta Varas werden als nächstes vom ständig mit seiner kaputten Kupplung kämpfenden Bus angefahren. Hunderte Kilometer verlangen gutes Sitzefleisch, doch an den Etappenzielen warten - wie schon in der Hauptstadt - wieder nette Gastfamilien, die um das Wohl der Deutschen besorgt sind.

Neue Städte verheißen nicht nur neue Eindrücke entlang der Pazifikküste - unter anderem unter Tage in der Kohlemine von Lota - sondern auch neue Konzerte. In der deutschen Schule in Conception stehen die Anhalter noch alleine auf der Bühne, in Puerta Varas wechseln sie sich mit der jungen Puerta Varas Big Band ab. Und überall schlägt den blonden Europäern Begeisterung entgegen. Die erreicht ihren absoluten Höhepunkt zurück in der Hauptstadt Santiago, als beim Abschlusskonzert mehrere hundert Schüler in der Gastelternschule Abdon Cinfuentes die Band feiern.

Und die Band feiert selbst auch andere Musiker. Ein absolut hohes musikalisches Niveau haben sie erlebt, sagen unter anderem Florian Marcy (Gitarre) und Georg Metzner (Posaune) über die Conchali Big Band, deren Altersdurchschnitt dem der deutschen Band gleicht. "Die spielen nicht nur hobbymäßig, die leben die Musik", hat Philipp Fahlbusch (Percussion) erfahren, "die Schule ist dafür weniger wichtig." Aus den ersten Besetzungen der Conchali Big Band sind inzwischen mit Andrez Perez, Christian G., Jonathan und Mauricio südamerikanische Jazzgrößen hervorgegangen. Und die Profis ließen es sich nicht nehmen, auch vor den jungen Deutschen zu spielen.

Wiedersehen 2008

"Jedes Konzert hatte seine eigenen Besonderheiten und Reize", blickt Detlef Metzner nun auf die Chilereise zurück und ist sich auch in diesem Falle mit seinem Kollegen Gerhard Mornhinweg aus Santiago einig: "Der Austausch ist ein Erlebnis und war für beide Seiten wichtig. Wir haben voneinander gelernt." Ein Wiedersehen soll es deshalb unbedingt geben. 2008 ist geplant. "Wenn Conchali nach Dessau kommt, das wäre geil", finden Georg Metzner, Philipp Fahlbusch, Josefine Thiemann oder Isabel Geißler. Und ob es dann Herbst, Frühling, Winter oder Sommer ist, spielt eigentlich keine Rolle.