Phänomen oder Plage? Marienkäfer in Dessau-Roßlau: Warum so viele Tiere Balkons und Häuser bevölkern

Dessau-Rosslau - Am Wochenende haben sie Dessau-Roßlau förmlich erobert: Unzählige Marienkäfer sind derzeit an allen Ecken der Doppelstadt unterwegs.
Wird das in Dessau zur Plage, fragt Leser Steffan Schwendke über Facebook bei der MZ nach, nachdem sich in den Y-Häusern am Stadtpark die gepunkteten Käfer in Massen an den hell gestrichenen Wänden der Balkone niedergelassen hatten. Angefangen hatte die Marienkäfer-Invasion Sonnabend. Höhepunkt war der Sonntag mit bis zu 100 Käfern auf „Balkonien“.
„Das habe ich vor Jahren mal an der Ostsee erlebt, aber hier noch nie“ so der aus Boltenhagen 2011 nach Dessau gekommene Schwendke. Seine Bekannten hatten zudem von noch stärkerem Befall in Törten und Mosigkau berichtet. Ist das normal oder spielt die Natur jetzt auch in der Klasse der Wirbellosen verrückt?
Warum sieht man gerade jetzt so viele Marienkäfer?
Sie gelten hierzulande gemeinhin als Glücksbringer und Nützlinge. Kindergartenkinder trällern gern vom rätselhaften Käfer „Rot lackiert mit schwarzen Punkten“. Gartenfreunde schätzen die fliegenden Krabbler ungemein als natürliche Blattlausjäger. Und auch in den Wohnungen kreuzen sie jetzt hin und wieder auf.
Alles normal, sagen die Biologen und Entomologen, also Insektenkundler: Am Wochenende hat es nun ja tatsächlichen einen Hauch von „Goldenen Oktober“ gegeben. Die letzten Sommerstrahlen locken die kleinen, sechsbeinigen Lebewesen aus ihren Verstecken. Auf der Suche nach einem warmen Plätzchen in den späten Mittagsstunden, verirren sie sich gern in den warmen Räumen.
Unter freiem Himmel nun hat das schöne Herbstwetter am Sonntag in der Region für ein Naturschauspiel gesorgt: Massenweise Marienkäfer waren aus ihren Winterverstecken noch mal in die Wärme gekommen und sogar in Schwärmen über das Land gezogen, ehe sie sich an Hauswänden oder auf Balkonen niederließen.
Neu ist das Phänomen nicht
Auch in den vergangenen Jahren ist das Phänomen im Herbst in Deutschland aufgetreten: Das warme Wetter könne zu „invasionsähnlichen Erscheinungen“ führen, sagte die Insektenexpertin des Naturschutzbundes, Melanie von Orlow. Wird es wieder kälter, machen sich die Tiere erneut auf die Suche nach einem passenden Winterquartier, so von Orlow. Vor ihrem Winterschlaf sammeln sie Fett und Zucker im Körper an, um im Winter davon zu zehren.
Marienkäfer leben durchschnittlich ein Jahr lang. Allerdings vermehren sich die Tiere zweimal im Jahr, so dass die zweite Generation im Juli oder August schlüpft und nicht als Larve oder Puppe, sondern bereits als Käfer überwintert, bevor sie wiederum im Frühjahr ihre Eier ablegt.
Die Marienkäfer kommen aus Fernost
Die Marienkäfer-Invasion im Herbst also gehört zum Lebenszyklus der Tiere. Ihr Auftreten im Schwarm allerdings überraschte am Wochenende auch den Dessauer Käferexperten Timm Karisch vom Museum für Naturkunde und Vorgeschichte. Bei einer Radtour durch die Stadt war dem Museumsmitarbeiter aus dem Fachbereich der Wirbellosen das Schwarmverhalten der Tiere aufgefallen. „Aber das waren keinen heimischen, die wir als Siebenpunkt- oder Vierzehnpunkt-Käfer kennen.“ Bei einem Stopp konnte Karisch dann die Tiere zweifelsfrei als „Asiatische Marienkäfer “ identifizieren.
Diese Exoten sind um die Jahrtausendwende aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet aus China, Japan und der Mongolei nach Europa gelangt, natürlich unter Mitwirkung von Menschen, die Schädlinge auf natürlichem Weg bekämpfen wollten. Seit 2002 erobert die robuste Art Deutschland.
Zu erkennen ist der Asiatische Marienkäfer am hellen Halsschild, auf dem mittig als schwarze Zeichnung ein „W“ (oder umgekehrt als „M“) zu finden ist. Der Asiatische Marienkäfer hat eine extrem variable Farb- und Punktpalette. Und inzwischen seinen Rufnamen als „Harlekin“ weg.
Allmählich verschwinden die Tiere auch wieder von Schwendkes Balkon. Die Hälfte der „Invasoren“ war am Montag abgeflogen - auf der Suche nach neuen Winterquartieren. (mz)
