Lokführer-Streik in Dessau Lokführer-Streik in Dessau: Autovermieter gehören zu den Gewinnern des Stillstands

Dessau-Roßlau - Absagen oder nicht? „Wir haben das ganz kurz diskutiert“, sagt Katja Elmas vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club. Der hat am Sonnabend zur seiner 35. Bundeshauptversammlung in das Umweltbundesamt nach Dessau geladen. 140 Delegierte aus ganz Deutschland werden erwartet. Meist mit dem Zug. Doch die Rückmeldungen sind positiv. Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg. „Viele bilden Fahrgemeinschaft“, berichtet Elmas. Die lange vorbereitete Bundeshauptversammlung findet statt.
Eine weitere kostengünstige Alternative zur Deutschen Bahn sind die Anbieter von Mitfahrgelegenheiten. Wer zeitlich flexibel ist, der kommt auch so in viele deutsche Großstädte. Für morgen Nachmittag bietet etwa ein BMW-Fahrer aus Magdeburg für 25 Euro einen Platz für die Fahrt von Halle nach München an.
Mehr Infos im Internet: www.mitfahrzentrale.dewww.mitfahrgelegenheit.de
Wer dagegen lieber alleine fahren möchte, der kann auf einen Mietwagen umsteigen. Die Suchmaschine „Billiger-Mietwagen“ bietet dabei nach eigenen Angaben den umfassendsten Preisvergleich in Deutschland und prüft die Angebote von fast 150 Anbietern. Wer morgen Mittag von Halle nach Frankfurt (Main) fahren möchte und seinen Wagen dort einen Tag später wieder abgibt, ist ab 56,10 Euro dabei.
Mehr Infos im Internet: www.billiger-mietwagen.de
Von Halle nach Berlin für acht Euro. Das ist der günstigste Preis. Allein von Halle aus können über 60 Städte mit Bussen direkt erreicht werden. Die Buchung erfolgt via Internet. Nach der Bekanntgabe des aktuellen Lokführerstreiks sei die Zahl der Buchungen insgesamt um zehn bis 20 Prozent gestiegen, erklärt Tilman Wagenknecht vom Verband Mitteldeutscher Omnibus-Unternehmer, der 75 Betriebe in Sachsen-Anhalt und Thüringen vertritt. „Man muss aber etwas Geduld bei der Internet-Recherche haben. Die Homepages sind zeitweise stark beansprucht.“
Gestiegen ist die Nachfrage auch bei „Mein Fernbus“, einem der großen Anbieter in Deutschland. „Seit Dienstag verzeichnen wir zeitweise eine Verdopplung der Buchungseingänge“, teilte das Unternehmen gestern mit. Deshalb würden derzeit zusätzliche und teils auch größere Fahrzeuge eingesetzt. Besonders gefragt seien Verbindungen zwischen Ballungsgebieten und Metropolen.
Mehr Infos im Internet: www.busliniensuche.de
Eine weitere Alternative zur Bahn sind Flugzeuge. Vom Flughafen Leipzig/Halle gibt es Direktflüge zu sechs anderen deutschen Flughäfen. Angeflogen werden Düsseldorf, Frankfurt (Main), Köln/Bonn, München, Nürnberg und Stuttgart.
Flugziele und Flugpläne ab Leipzig/Halle
Die Deutsche Bahn richtet eine kostenlose Hotline ein. Unter der Telefonnummer 08000-996633 können sich Bahnfahrer über Zugausfälle und Verspätungen informieren. Zusätzlich können sich Bahnreisende auf der Seite www.bahn.de/aktuell informieren. Meldungen für Ausfälle in NRW finden Reisende hier, für Sachsen-Anhalt hier. Die Bahn rät zusätzlich, kurz vor Beginn der Fahrt den DB-Navigator aufzurufen unter reiseauskunft.bahn.de.
Ja. Bei einer Stunde Verspätung muss das verantwortliche Bahnunternehmen 25 Prozent des Fahrpreises erstatten. Bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent. Maßgeblich ist dabei immer die Ankunftszeit am Zielort: Verpasst ein Bahnkunde durch die nur fünfminütige Verspätung eines ersten Zuges seinen Anschluss, so dass er erst nach einer Stunde am Ziel anlangt, erhält er eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises. Wird eine Übernachtung nötig, muss die Bahn die Kosten für ein Hotelzimmer tragen. Der Aufpreis für den ICE-Sprinter wird schon ab 30 Minuten Verspätung des Sprinters erstattet.
Besitzer von Streckenzeitkarten erhalten bei Verspätungen von einer Stunde und mehr pauschale Entschädigungen. Bei Zeitkarten im Nahverkehr gibt es in der zweiten Klasse 1,50 Euro. Dabei gilt allerdings eine Bagatellgrenze von vier Euro. Bahn-Kunden mit Zeitkarten im Nahverkehr erhalten also nur eine Entschädigung, wenn mindestens drei Verspätungen von mindestens 60 Minuten im Gültigkeitszeitraum der Fahrkarte nachgewiesen werden. Grundsätzlich werden bei Zeitkarten maximal 25 Prozent des Fahrkartenwertes erstattet. Im Fernverkehr werden pauschal fünf Euro gezahlt.
Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als einer Stunde ab, kann der Reisende auf die Fahrt verzichten und den kompletten Fahrpreis zurückverlangen. Ebenso kann er die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und dann auch eine andere Streckenführung wählen.
Das Beschwerdeformular ist in den Servicezentren der Deutschen Bahn oder im Internet unter www.fahrgastrechte.info erhältlich. Das Formular können Reisende in den Fahrkarten-Verkaufsstellen an den Bahnhöfen einreichen. Die Bahn muss Beschwerden von Fahrgästen nach spätestens einem Monat bearbeitet haben. Bei Streitfällen vermittelt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zwischen Kunden und Unternehmen. Entschädigungen muss die Bahn auf Wunsch bar auszahlen, ansonsten per Gutschein oder Überweisung.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Streiks im Luftverkehr höhere Gewalt vorliegt. Also gilt die EU-Fluggastrechteverordnung, die Entschädigungen vorsieht, nicht. Im Bahnverkehr ist das anders: Die Bahn kann bei Streiks oder Unwettern keine höhere Gewalt geltend machen. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus September 2013 ist sie dazu verpflichtet. Bahnchef Rüdiger Grube hat sich vergeblich um eine Änderung bemüht.
Seit Donnerstag, 2 Uhr, streiken die Lokführer in Deutschland und haben den Bahnbetrieb größtenteils lahmgelegt. Ein Notfahrplan, vorerst gültig für Donnerstag und Freitag, sichert am Dessauer Hauptbahnhof einen Notbetrieb. Der Regionalexpress zwischen Leipzig und Magdeburg über Dessau fährt wie immer im Zwei-Stunden-Rhythmus. Die Regionalbahn dazwischen nicht. Zwischen Dessau und Berlin sind vier Verbindungen übrig. 6.03 Uhr und 12.03 Uhr vom Ostbahnhof nach Dessau. 8.10 Uhr und 14.10 Uhr geht es in die Gegenrichtung. Zwischen Dessau und Wittenberg pendeln Züge zwischen 5.14 Uhr und 19.14 Uhr ebenfalls im Zwei-Stunden-Rhythmus. Dass im Hauptbahnhof am Vormittag die Anzeigetafel ausgefallen war, machte die Orientierung nicht einfach. Da galt noch mehr als sonst: Ein Blick ins Internet zeigt, welcher Zug fährt. Und dann hilft Daumendrücken.
Die Auswirkungen des Streiks sind unterschiedlich. Es gibt Gewinner wie Verlierer. Gebrummt hat es bis Donnerstagabend noch der Umschlag beim Agrarhandel Geltinger im Industriehafen Roßlau. 1050 Tonnen Dünger wurden aus 30 Waggons eines Ganzzugs entladen. „Wir hatten Glück mit dem letzten Zug, der noch durchgekommen ist“, sagt Firmenchef Josef Geltinger. Gemeinsam mit dem Industriehafen konnte der Ansiedler die Fracht auf 38 Lkw umschlagen.
„Ab Freitag bleibt uns nur das Warten, bis der Leerzug jetzt wieder abgeholt wird“, sagt Geltinger. „Unsere Leistungen orientieren sich bedarfssynchron nach dem Just-in-time-Konzept.“ In dieser Kette käme am nächsten Mittwoch der nächste Ganzzug. Eigentlich. Ob sich bis dahin aber der Waggonstau auf den Rangierbahnhöfen aufgelöst hat? „Das wird wohl dauern“, schätzt Geltinger.
Andere haben durch den Streik mehr zu tun. „Sofort, als von einem möglichen Streik der Lokführer gesprochen wurde, sind bei uns die Reservierungen angestiegen “, beobachtet Maik Laue, Stationsleiter in der Avis-Autovermietung Zur Großen Halle. Im Vergleich zum letzten Lokführerstreik Anfang Oktober sei der Wettlauf um die Pkw diesmal allerdings etwas abgeschwächt verlaufen. „Die Kunden sind vielleicht weniger überrascht worden und mehr auf Fernbusse oder Mitfahrgelegenheiten ausgewichen“, vermutet Laue.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie groß der Andrang auf die Autovermietung Europcar war.
„Ganz schwer“ hat der Mittwoch ins Kontor von Europcar in der Albrechtstraße geschlagen. „Da waren schon in der Nacht alle unsere Pkw reserviert und wir mussten Kundenanfragen absagen“, berichtet Stationsleiter Volker Müller. Am Tag darauf hatte sich die Lage entspannt. Da waren die 20 Fahrzeuge der Mietwagen-Flotte noch nicht restlos ausgebucht. „Und auch für das Wochenende sind jetzt noch Kapazitäten frei.“
Es ist mittlerweile der sechste Streik der Lokführer in der laufenden Verhandlungsrunde und mit vier Tagen auch der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Bis Montag, 4 Uhr, ruhen mehrheitlich der Güterverkehr und der Nah- und Fernverkehr auf der Schiene. Im Regionalverkehr hat die Deutsche Bahn Ersatzfahrpläne erstellt, die den Betrieb mit großen Einschränkungen aufrecht erhalten. Über alle aktuellen Verbindungen informiert die Bahn im Internet unter der Adresse www.bahn.de/liveauskunft.
Das Krisenmanagement läuft überall. In Wittenberg hat die Deutsche Bibelgesellschaft Teilnehmer einer Tagung schon am Mittwoch nach Hause geschickt. Was aus der Tagung „Genug?“ der Evangelischen Akademie in der Lutherstadt wird, war am Donenrstag noch offen. Vier Referenten hatten abgesagt. „Monatelange Arbeit und Vorbereitung geht den Bach runter, das ist richtig frustrierend“, klagte Studienleiterin Lydia Schmidt. Mehr Telefonate als sonst mussten auch die Organisatoren der Tagung „Cyclespace“ führen. Diese findet am Freitag am Bauhaus statt. Probleme bestätigte auch Michael Pirl. „Waren, die wir bestellt haben, kommen nicht an“, ärgerte sich der Wörlitzer Hotelchef und sprach von etlichen Umbuchungen. „Viele reisen nun erst am Montag an.“
Andere mühten sich um Flexibilität. „Die Mehrzahl der Mitarbeiter lebt in Dessau und kann zur Arbeit kommen“, sagte Thomas Myck, kommissarischer Abteilungsleiter Verkehr im Umweltbundesamt. Einige Mitarbeiter, die in Berlin leben, arbeiteten vom Berliner Uba-Amtssitz aus. Für Mitarbeiter, die zur Arbeit aus Leipzig und anderen Städten anreisen, wurden praktikable Lösungen gesucht und gefunden: Home Office ist eine davon.
Viele wichen aber auch auf das eigene Auto aus. Mega-Staus wurden befürchtet. Im Dessauer Raum blieben die aber tagsüber aus. „Hier ist alles im grünen Bereich“, sagte der Diensthabende der Polizeidirektion Ost. „Einschränkungen sind zur Zeit noch nicht bemerkbar.“ (mz)

