Kurt-Weill-Fest in Dessau Kurt-Weill-Fest in Dessau : Eine traumhafte Zaubernacht

Dessau - Es ist gerade mal der zweite Festival-Tag, als schon ein Highlight des 24. Kurt-Weill-Festes in Dessau feststand: Am Samstagabend inszenierte Tomasz Kajdanski eine großartige „Zaubernacht“ auf der kleinen Bühne des Alten Theaters in Dessau. Der Ballettdirektor des Anhaltischen Theaters und sein Ensemble hauchen in der Kinderpantomime von Kurt Weill Spielsachen Leben ein und lassen Kinderträume damit liebevoll wahr werden.
Die Kinderpantomime „Zaubernacht“ war Kurt Weills erstes Bühnenwerk. Er schrieb sie während seiner Studienzeit. Am 18. November 1922 wurde sie im Theater am Kurfürstendamm in Berlin erstmals aufgeführt. Bei seiner Flucht aus Deutschland ging die originale Partitur 1933 jedoch verloren. Achtzig Jahre lang galt das Werk als verschollen, bis 2006 ein Safe im Keller der Yale University entdeckt wurde und das Aufführungsmaterial preisgab.
Handlung neu interpretiert
Von der Handlung ist nur der Rahmen überliefert. Viel steckt allerdings in der Musik für ein neunköpfiges Orchester und Sologesang. Tomasz Kajdanski hat sie nun auf wunderbare Weise gedeutet und für Dessau sichtbar gemacht: Zwölf Mal schlägt die Uhr. Der Knabe und das Mädchen schlafen, als die Spielsachen in ihrem Zimmer von der singenden Zauber-Fee (Cornelia Marschall) zum Leben erweckt werden. Teddy-Bär, Dinosaurier, Lego-Mann und Co lernen, sich zu bewegen. Ganz ohne Worte erzählen sie Episoden, die so wohl in jedem Kinderzimmer stattfinden: Da ist der böse Bruder, der das Spielzeug der Schwester kaputt macht. Es gibt Kissenschlachten. Und das Mädchen träumt, dass es mit der Puppe tanzt. Gespickt mit vielen kleinen Gesten wie einem Nasenkuss oder einem Aneinanderreiben der Popos wird das Ganze zu einer liebevollen und kindlichen - aber gar nicht kindischen - Erzählung.
Weills Musik für sich allein genommen mag nicht allzu spannend sein. Nach der Uraufführung hagelte es zudem Kritik, dass sie zu sperrig und damit ungeeignet für Kinderohren sei. Dabei gibt es durchaus wiederkehrende Melodien und bekannte Tänze vom langsamen Walzer bis zum Foxtrott. Gespielt werden sie in den ersten fünf Aufführungen in Dessau live, von Mitgliedern der Anhaltischen Philharmonie, unter der Leitung von Boris Cepeda. Was zu hören war, schien den Kindern in der Dessauer Premiere zu gefallen.
Traumhaft umgesetzt werden Kajdanskis Ideen vom Dessauer Ballettensemble. Natürlich sind es erwachsene Tänzer, die sich da auf der Bühne bewegen. Aber Nicole Luketic als Mädchen und Marini Delauvaud als der Knabe lassen das zwischendurch vollkommen vergessen. Die anderen Tänzer schlüpfen in die Rolle des bösen Dinos (Anna-Maria Tasarz), des etwas ungelenken Lego-Mannes (Thomas Ambrosini), der Aufzieh-Puppe (Nocla Brockmann), des lustigen Hampelmanns beziehungsweise edlen Prinzen (Daisuke Sogawa) oder des kuscheligen Bären (Maria Sara Richter). Und es macht ihnen offensichtlich großen Spaß, in die Kinderwelt einzutauchen.
Aufführungen von Kurt Weills „Zaubernacht“ finden im Rahmen des Kurt-Weill-Festes am morgigen Dienstag, dem 1. März, und am Mittwoch, dem 2. März, um jeweils 10 Uhr sowie am Sonntag, dem 13. März um 15 Uhr im Alten Theater statt. Die Kinderpantomime ist auch im regulären Spielplan des Anhaltischen Theaters aufgenommen. Eine weitere Vorstellung ist angesetzt für Sonntag, dem 20. März, um 15 Uhr.
Von Anfang bis Ende herrscht dabei äußerste Präzision. Immerhin bewegen sich teils sieben Tänzer zur gleichen Zeit auf der ja doch recht kleinen Bühne des Alten Theaters. Zwei böse Zwischenfälle gibt es doch: Erst geht der Hampelmann kaputt, dann die Puppe. Beides gehört aber zur Handlung und beide können wiederbelebt werden.
Dass die Dessauer „Zaubernacht“ so rund und stimmig ist, liegt zu großen Teilen auch am Bühnenbild und an den Kostümen. Dorin Gal zaubert ein kuscheliges Kinderzimmer auf die Bühne mit Kamin und loderndem Feuer sowie fluoreszierenden Sternen an den Wänden, die je nach Licht und Stimmung mal mehr und mal weniger leuchten. Die Kostüme wirken wie Großformate ihrer kleinen Vorbilder. Man achte auf die Hände des Lego-Mannes!
Schon vorbei
Nach rund 50 Minuten schlägt die Uhr sechsmal. Die Spielzeuge erstarren wieder, die Kinder müssen aufstehen und erwachen aus ihrem Abenteuertraum. Schade. Man hätte gerne noch viel viel länger mitgeträumt. (mz)