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Kunstverein in Dessau Kunstverein in Dessau: Rätselhafte Welten im Kunstraum 22

Von DANNY GITTER 12.01.2016, 07:26
Katrin Günther stellte in jüngster Vergangenheit auf großen Kunstmessen aus.
Katrin Günther stellte in jüngster Vergangenheit auf großen Kunstmessen aus. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Da geraten selbst gestandene Männer beim Betrachten etwas ins Straucheln, durchlaufen eine Achterbahn der Gefühle und sind am Ende noch immer mehr Zweifelnde als Wissende. Katrin Günther hat das mit ihren urbanen Landschaftsbildern geschafft, Gerhard Lambrecht, alte Eminenz der Dessauer Kulturpolitik und heute Vorsitzender des Anhaltischen Kunstvereins, und Dieter Bankert, Architekt mit jahrzehntelanger beruflicher Vita, auf eine Reise in unbekannte Welten zu schicken, an deren Ende der Kniefall vor der Kunst steht, die immer ein letztes Geheimnis in sich birgt.

Nach der Eröffnung der ersten Ausstellung des Jahres im K22 lädt der Anhaltische Kunstverein am Samstag, dem 16. Januar, zur zweiten Ausstellung ein. Um 17 Uhr wird in der Orangerie der Anhaltischen Gemäldegalerie die Schau „Die Letzten ihrer Art“ mit Werken von Arno Bojak eröffnet.

Der Maler Arno Bojak fordert den Betrachter mit seinen dichten Bildern intellektuell und emotional heraus. Man müsse sich für die großformatigen Werke Zeit nehmen, die vielen Details sehen, Bedeutungsebenen begreifen, um Bojaks intelligente Malerei zu verstehen und zu genießen, schreibt der Anhaltische Kunstverein. Ein diffiziler und zuweilen bitterer Genuss, denn Bojak schiebt humorvoll den Wohlstandsgrauschleier beiseite und verhandelt Sujets wie Kulturpessimismus, Gesellschaftskritik, Ängste, Identität, Untergang und Apokalypse. Arno Bojak sei absolut versiert in seiner Technik, er agiere und thematisiere souverän und kunstgeschichtlich fundiert und habe so eine ganz außergewöhnliche und einzigartige Bildsprache in der zeitgenössischen Malerei. 

Der geneigte Besucher der Ausstellung „Aufstieg“ im Kunstraum 22 kann sich selbst auf den Weg machen, abzutauchen und Bildlandschaften zu erkunden, die scheinbar vertraut und dann doch wieder rätselhaft bleiben. In die Filmkulisse des Hobbits fühlt sich Gerhard Lambrecht versetzt, wenn er auf Entdeckungstour im Ausstellungsraum des Anhaltischen Kunstvereins geht. In fantastischer Unordnung und unendlicher Weite präsentieren sich die Räume auf den meist großflächigen Bildern mit Tuschezeichnungen. „Sie entwickeln einen starken Sog und laden den Betrachter dazu ein, sich darin zu verlieren. Und doch bleiben diese Welten auch nach längerer Betrachtung rätselhaft“, ruft der Vorsitzende des Anhaltischen Kunstvereins bewundernd und etwas verzweifelnd dem Publikum der Vernissage am Sonnabend zu.

Mit dem gewohnten Anspruch, Kunst zum Nachdenken und nicht zum nebenbei Konsumieren zu präsentieren, steigt der Anhaltische Kunstverein auch in das noch junge Ausstellungsjahr 2016 ein. Mit Katrin Günther, einer Berliner Architektin, seit dem Wintersemester 2013 Professorin für Darstellen und Gestalten an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Konstanz, holen sich die Dessauer eine international beachtete Künstlerin in den Kunstraum 22 in der Askanischen Straße. Mit Erfolg stellte sie in der jüngeren Vergangenheit auf großen Kunstmessen wie der Context Art Miami, der Scope Basel und der Art Karlsruhe aus.

Es ist vor allem ein großflächiges Bild, das am Sonnabend Dieter Bankert in seiner Laudatio voll in den Bann zog. 2015 ist es mit dem Titel „urban spring“ entstanden. Der „urbane Frühling“ zeigt eine Seenlandschaft an deren Hügeln sich ein Konglomerat aus Häusern, Hütten, Stegen und Balken sammelt. Alles hat seine Unordnung. Nichts scheint einen festen Platz zu haben. „Hat hier eine Neutronenbombe ganze Arbeit geleistet“, fragt Bankert. Denn neben aller Unordnung ist auch kein Leben zu erkennen. Kein Mensch, kein Vogel. Nichts. Einen selbst gebastelten schwarzen Totenvogel lässt der Architekt zur Erheiterung des Publikums über das Bild kreisen. Was will uns die Künstlerin mit ihrem Bild sagen? Ist es eine Metapher auf eine Konstruktion, die einst zusammenfiel, wie die DDR? Oder ist es die Hommage an das Leben in all seiner Komplexität? Bankert verliert sich gerne in der Welt der Interpretation und liest zum krönenden Abschluss auch noch aus „Alice im Wunderland“.

Es sind rätselhafte Welten, die Günther schafft. „Alles beginnt im Kopf und mit einem ersten Strich, auf den der zweite antwortet, der dritte, bis irgendwann ein Panorama entsteht“, beschreibt die Künstlerin die Entstehung ihrer Kunstwerke. Der Weg ist dabei für sie das Ziel. Die Interpretation der Ergebnisse überlässt sie gerne den Betrachtern - in Dessau noch bis zum 21. Februar. (mz)

Gerhard Lambrecht, Vorsitzender des Anhaltischen Kunstvereins
Gerhard Lambrecht, Vorsitzender des Anhaltischen Kunstvereins
Lutz Sebastian Lizenz