Krankenhäuser am Limit Krankenhäuser am Limit: Notaufnahme-Gebühr soll helfen - Diese Kliniken sind dagegen

Dessau-Rosslau - Fast jeder kennt das Bild in Notaufnahmen an Krankenhäusern der Region: Die Wartebereiche sind voll, Ärzte überlastet. Nun sorgt ein Vorstoß von Kassenärztlichen Vereinigungen für Diskussionen. Sie fordern eine Patientengebühr für die Behandlung in Notaufnahmen.
Weil immer mehr Menschen mit leichteren Beschwerden die Anlaufstelle wie eine normale Arztpraxis nutzen. Mit einer Gebühr sollen Patientenströme besser gelenkt werden. In Krankenhäusern Dessau-Roßlaus stößt die Idee zu einer Gebühr auf Ablehnung.
110 Menschen kommen täglich in die Notaufnahme des Städtischen Klinikums in Dessau
Im Städtischen Klinikum ist die Belastung in der Notaufnahme hoch. Immer öfter ist die Grenze der Kapazität erreicht, sagt Sprecherin Grit Hachmeister. Auch die Kosten für Personal und Technik seien hoch. „Sie werden aber von den Kassen nicht kostendeckend honoriert. Das verschärft die Situation auch in wirtschaftlicher Hinsicht, würde aber auch durch eine Patientengebühr nicht umfänglich gelöst werden.“ Momentan liege der Erlös der Kliniken bei durchschnittlich 35 Euro pro ambulantem Patienten. „Tatsächlich belaufen sich die Kosten auf 130 Euro.“
Etwa 110 Menschen kommen täglich in die Notaufnahme des Klinikums in Alten. Besonders an Wochenenden, Feiertagen und an Montagen steige die Zahl der Fälle. Im vergangenen Jahr gab es rund 33.000 Menschen, die Hilfe in der Notaufnahme suchten. Das Spektrum reiche vom einfachen Unwohlsein bis zur akuten Lebensgefahr, so Hachmeister. Die meisten Fälle betreffen die Bereiche Unfallchirurgie, Orthopädie, Innere Medizin und Kinderheilkunde.
Zunehmend Menschen in der Notaufnahme, die eigentlich in die Hausarztpraxis gehören
„Es kommen allerdings zunehmend Menschen in die Notaufnahme, die mit ihren Beschwerden eigentlich in die Hausarztpraxis gehen oder den hausärztlichen Bereitschaftsdienst nutzen könnten.“ Mit der hohen Fallzahl seien „die Ressourcen zunehmend begrenzt, immer öfter geraten hoch spezialisierte Fachabteilungen an Kapazitätsgrenzen“, erklärt die Kliniksprecherin. Der technische und personelle Aufwand sei groß.
Vor Ort sind jederzeit ein Unfallchirurg und ein Internist, bei Bedarf auch diensthabende Ärzte aus allen anderen Fachbereichen, außerdem ist ein fachärztlicher Hintergrunddienst durchgehend erreichbar. 26 Pflegekräfte und vier Verwaltungskräfte arbeiten ebenfalls in der Notaufnahme der Klinik. Zudem muss das Haus für die Notaufnahmen beispielsweise Schockräume mit Computertomographen vorhalten.
Dessau: Städtisches Klinikum steuert mit speziellem System erhöhtes Aufkommen
Das Städtische Klinikum mit rund 700 Betten hatte 2016 mit einem speziellen Erstaufnahmesystem auf das erhöhte Aufkommen und Kritik an Wartezeiten reagiert. Seit der Einführung habe man gute Erfahrungen mit der Steuerung der Patientenströme gesammelt, sagt Hachmeister. Mit dem Manchester-Triage-System wird unter anderem die Dringlichkeit festgelegt und auch ein Zeitfenster, binnen dessen der Notfallpatient einem Arzt vorgestellt wird.
„Wartezeiten haben sich verkürzt und das Verständnis für die Reihenfolge bei den Patienten ist gewachsen.“ Durch das System lassen sich „wirkliche Notfälle identifizieren“, sagt Hachmeister. „Nicht-Notfallpatienten werden besser erkannt und gegebenenfalls nach der medizinischen Untersuchung zur Weiterbehandlung an niedergelassene Ärzte und Notfallpraxen verwiesen.“
Diakonissenkrankenhaus Dessau: haus- und fachärztliche Versorgung defizitär
Das Diakonissenkrankenhaus Dessau (DKD) stellt sich klar gegen die Forderung. „Es ist bedauerlich, dass wieder einmal die Krankenhäuser für Defizite im Gesundheitssystem herhalten sollen“, sagt Geschäftsführer Torsten Ernst. Dass Menschen vermeintlich zu Unrecht in die Notaufnahmen kämen, „hat ja etwas damit zu tun, dass die haus- und fachärztliche Versorgung in mehrfacher Hinsicht defizitär ist“. Es gebe zu lange Wartezeiten auf einen Arzttermin, teilweise nähmen Praxen gar keine neuen Patienten auf, häufig sei die Notfallversorgung außerhalb der regulären Öffnungszeiten, also nachts und am Wochenende, zu unspezifisch.
„Dass ein Patient mit akuten Schmerzen, dem von seinem Facharzt ein Termin in zwei Monaten avisiert wird, nach alternativen Hilfen sucht, ist nachvollziehbar“, erklärt Ernst. „Sie nun dafür zu bestrafen, am vermeintlich falschen Ort nach Hilfe gesucht zu haben, fühlt sich mehr nach Bankrotterklärung denn nach Problemlösung an.“
Genaue Zahlen zu den Patienten, die in die Notaufnahme des DKD kämen, will Ernst nicht nennen. Nur so viel: Sie lägen im vierstelligen Bereich. Das Haus mit 175 Betten hat laut eigenen Angaben rund 6.600 stationäre und 7.700 ambulante Fälle im Jahr. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2016. (mz)