Knappe Entscheidung im Ortschaftsrat Knappe Entscheidung im Ortschaftsrat: Soll Roßlau wieder "Stadt Roßlau" heißen?

Roßlau - Die Abstimmung war knapp und sehr emotional: Soll die Ortschaft Roßlau künftig den Namen „Stadt Roßlau“ tragen? Die Kommunalverfassung des Landes räumt dies zwar seit 2014 ein, allerdings wird davon jetzt geltendes Recht nicht berührt. Roßlau dürfte zwar den Namen „Stadt“ tragen, aber das Stadtrecht wurde nach 400 Jahren am 1. Juli 2007 mit der Fusion von Dessau und Roßlau aufgegeben. Da gebe es kein Zurück.
Der Ortschaftsrat Roßlau hat sich am Donnerstag dieser Woche mit knapper Mehrheit gegen eine Umbenennung von Roßlau in „Stadt Roßlau“ ausgesprochen. Die Debatte war sehr emotional, alle Meinungen nachvollziehbar. Am Ende war eine Stimme das Zünglein an der Waage: Vier Ortschaftsräte wollten künftig die „Stadt“ im Ortsnamen sehen, fünf mahnten, endlich nach vorne zu schauen. Es gebe andere Probleme, als zum wiederholten Male eine Namensdiskussion zu führen.
Den Antrag zur Umbenennung hatte die Gruppe Neues Forum/Die Grünen bereits im vergangenen Jahr in den Ortschaftsrat eingebracht. Wie Ortschaftsratsmitglied und Ex-Oberbürgermeister Klemens Koschig erklärte, habe sich die Gruppe von vielen Gesprächen mit Roßlauern leiten lassen. Die Bürger wollen wenigstens ein Stück Identität zurück.
Es gehe laut Ex-Oberbürgermeister Klemens Koschig um den Stolz der Roßlauer
„Sie fühlen sich in der Doppelstadt wie das fünfte Rad am Wagen“, sagte Koschig und bekräftigte noch einmal: Aus der Umbenennung, die das Land eröffne, ergeben sich keinerlei finanzielle Vorteile für Roßlau, sondern es geht um den Stolz der Roßlauer. Sowohl Ortsbürgermeisterin Christa Müller (CDU) als auch deren Stellvertreterin Sylvia Gernoth (SPD) legten dagegen ihr Veto ein. Müller: „Das bringt nichts. Wir gießen nur Öl ins Feuer.“
Gernot findet darüber hinaus, es habe ein gewisses Geschmäckle, wenn Koschig 2007 die Fusion besiegele und fünf Jahre später als Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister die Bemühungen der Roßlauer nach Eigenständigkeit unterlaufe. 8000 Unterschriften wurden damals in Roßlau gesammelt, um wieder eigenständig werden zu können. Koschig erklärte diese Unterschriftensammlung als ungültig.
Die an die Debatte sich anschließende Abstimmung erfolgte namentlich: Ratsmitglied Peter Vester (Die Linke) erinnerte daran, dass Roßlau im Stadtnamen bereits vertreten sei. Das „Dessau-Roßlau“ sei für ihn entscheidend. Mandy Münch (Grüne) findet es nicht verwerflich, eine Umbenennung zu diskutieren. „Wir haben das Recht dazu“, bat sie um Zustimmung der Vorlage.
Umbenennung nur ein Notpflaster, ohne die Wunde darunter zu schließen?
Ortschaftsratsmitglied Erik Schulz (CDU) findet dagegen, es sei änderungswürdig, wie die Stadtverwaltung mit den Bürgern umgeht. Dieses Problem sei mit einem formalen Akt nicht aus der Welt zu schaffen. Er deutete damit an, die Frage bei der Wurzel zu packen und nicht oberflächlich auf die Empfindungen der Roßlauer ein Pflaster zu kleben, ohne die Wunde darunter zu schließen.
Ratsmitglied Antonio Palermo (Bürgerforum) sagte ein kurzes und knappes „Ja“ zur „Stadt Roßlau“, Christel Heppner (Neues Forum) schloss sich an. Marcel Kerner (NPD) will, dass alles so bleibt wie es ist. Müller und Gernoth erklärten, es gebe - auch durch die Corona-Krise jetzt weitaus andere Probleme, die angepackt werden müssten. Sie wollen das Zusammenleben in der Doppelstadt forcieren.
Man ist froh, dass die Diskussionen um den Stadtnamen „Bauhausstadt Dessau“ momentan ruht
Die Vorlage der Gruppe um Koschig (Neues Forum/Die Grünen) stieß vermutlich auch deshalb bei der Mehrzahl auf Ablehnung, weil Roßlau fürchten muss, eine Lawine loszutreten. Man ist in Roßlau froh, dass die Diskussionen um den Stadtnamen „Bauhausstadt Dessau“ momentan ruht. Gesagt aber hat dies öffentlich niemand. Dennoch: Die Vorlage des Neuen Forums/Grüne lag seit August 2019 in den Schubladen. Die Antragsteller hatten laut Koschig erst beim Oberbürgermeister Kuras einen Vorstoß unternehmen müssen, um ihren Antrag öffentlich diskutieren zu können.
Ist die Diskussion damit beendet? Wann in Dessau-Roßlau jeder seinen Platz findet, das steht in den Sternen. Es war am 1. Juli 2007 keine Liebesheirat, sondern eine Zwangshochzeit für die Zukunft beider Städte. (mz)