Klettern in Dessau-Rosslau Klettern in Dessau-Rosslau: Die Wand ruft

Dessau-Rosslau - Torsten Hinsche freut sich, dass er damals „als kleiner Stift, als ich mir vor Angst und Zweifeln fast in die Hose gemacht habe, mich dann doch überwunden habe, diesen Berg in Sachsen zu erklimmen“. Denn heute, über 30 Jahre später, ist das Elbsandsteingebirge für den Dessauer schon fast sein zweites Wohnzimmer. Obwohl es einen Ort, außer seinem Zuhause und seinem Arbeitsplatz bei der Telekom gibt, an dem er auch häufig anzutreffen ist - das Kletterzentrum Zuckerturm in der Alten Brauerei.
Als. 1. Vorsitzender der IG Klettern Dessau hält er die Fäden in der Hand und sorgt dafür, dass der Laden läuft. Auf einer Kletterfläche von 660 Quadratmetern und einer Wandhöhe von bis zu 20 Metern können die Besucher rund 80 Routen erklettern. Viele sind tatsächliche Kletterstrecken, zum Beispiel dem Elbsandsteingebirge nachempfunden. „So eine Halle ist der ideale Ort, um seinem Hobby auch unabhängig vom Wetter zu frönen“, freut sich der Vereinsvorsitzende, dass er 2006 mit anderen Enthusiasten die jahrelangen Planungen zu einer Kletterhalle endlich in die Tat umgesetzt hat.
Sicherheit geht vor
Hinsche kann sich aber auch ärgern, immer dann, wenn er sieht, wie sein Sport oft auf lebensgefährliche oder gar tödliche Unfälle reduziert wird. „In vielen Sportarten, gerade Ballsportarten, scheint es zum Alltagsgeschäft zu gehören, wenn sich jemand verletzt und länger seinem Sport nicht nachgehen kann. Ich weiß nicht wie viele unzählige Kilometer wir als Kletterer zurücklegen, ohne dass etwas Ernsthaftes passiert, bis es zu einem tödlichen Absturz kommt, und das Klettern plötzlich im öffentlichen Fokus steht und darauf reduziert wird“, verdeutlicht er das unterschiedliche Maß, mit dem gemessen wird. In den fast neun Jahren, in dem sie die Kletterhalle in der Alten Brauerei schon betreiben, ist auch kein ernsthafter Unfall passiert. „Der Rettungswagen musste noch nicht vorfahren“, sagt Hinsche. Abschürfungen und verknackste Füße, die gab es schon manchmal.
Auch draußen sind sie bisher die Berge heil hoch- und wieder runtergekommen. „Sicherheit spielt eine große Rolle bei uns“, erzählt Andrea Linke. Egal, ob in der Halle oder draußen in der Natur, Karabinerhaken, Seile und Kletterschuhe sind immer dabei. Durch Zufall hat Linke das Klettern für sich entdeckt. Es war vor 15 Jahren im Elbsandsteingebirge als sie mit ihrer Familie eine Wanderung machte, Kletterer sie und ihre Tochter ansprachen, einfach mal mitzumachen und nach einiger Überzeugungsarbeit zehn Meter Steilhang überwunden wurden. Plötzlich standen die Dessauerinnen auf der Johannismauer „Unten öffnete sich das Tal. Man hatte einen fantastischen Panoramablick. Es war ein richtiges Wow-Erlebnis“, erinnert sich Linke.
"Klettern ist wie ein Virus"
Sie ließ jedoch das Klettern vorerst ruhen, konzentrierte sich weiterhin auf ihr großes, sportliches Hobby Handball, bis sie es alters- und verletzungsbedingt aufgab. Seit fünf Jahren ist Klettern für die Dessauerin mindestens einmal pro Woche ein Muss, im Zuckerturm, am Fuhnefelsen in Wolfen, einer Kletterwand bei Jüterbog, im Elbsandsteingebirge oder weiter weg im Süden. Spanien, Italien, Kroatien und die Türkei sind Hotspots für die Kletterfreunde aus Anhalt. In Kletterbüchern und Kletterreiseführern wird sich vorab darüber informiert, was die Felsen hergeben und welche Herausforderungen auf den einzelnen Routen warten. Manchmal sind es „nur“ zehn Meter, die zurückgelegt werden, dann wieder mehrere hundert und bis zu tausend Meter. „Natürlich wird nicht nur geklettert. Zwischendurch will man auch mal ausruhen, Land und Leute kennenlernen“, erzählt Hinsche. Andererseits gibt es auch Ausflüge, wo Klettern nicht das primäre Ziel ist, aber die Ausrüstung mit Seil, Karabinerhaken und Kletterschuhen vorsichtshalber dabei ist, „falls es doch in den Fingern kribbelt“, wie es der Vereinsvorsitzende der Dessauer Kletterer formuliert.
Denn es ist ein bisschen wie ein Virus, der einen befällt, wenn man das Klettern einmal für sich entdeckt hat. Egal, ob an der Kletterwand in der Halle oder draußen in der Natur, „man spürt jeden Muskel und gerade das fühlt sich gut an“, sagt Linke. Auch wenn der Weg zum Gipfel höchste Konzentration erfordert, ist die Belohnung am Ende umso größer. Die Anerkennung der Mitstreiter und draußen in der Natur unvergessliche Panoramablicke. „Das macht selbst Flachlandtiroler zu echten Alpinisten“, gibt Hinsche scherzend zu. (mz)