Klassentreffen in Dessau Klassentreffen in Dessau: Goldene Waggonbauer

Dessau/MZ - Der Hilferuf erreicht die MZ-Lokalredaktion Dessau-Roßlau aus der Bahnhofstraße in Görzig. In diesem Ortsteil der (neuen) Stadt Südliches Anhalt, Landkreis Anhalt-Bitterfeld, ist Axel Finsch zu Hause. Und der spätere Lehrer sucht jetzt die Altersgefährten, die sich gemeinsam mit ihm auf den neuen Lebensabschnitt gemacht hatten. Damals, vor einem halben Jahrhundert.
Jutta und 22 Jungen
„Meine Klasse lernte und arbeitete von 1961 bis 1964 im VEB Waggonbau Dessau“, schreibt Finsch. Im Waggonbau wurde die „Berufsausbildung mit Abitur“ angeboten. In der DDR begann sich gerade der zweite Bildungsweg für einen Facharbeiter inklusive dem Reifezeugnis für ein Hochschulstudium auszuprägen. Der Waggonbau bot die neue Ausbildungsart 1959 zum ersten Mal an. „Wir 61er Schlosser waren also die dritte Klasse überhaupt“, erinnert sich Axel Finsch. „Im Lehrvertrag stand schlicht der ’Schlosser’ als Ausbildungsberuf. Und plötzlich sollten wir dann ’Waggonbauschlosser’ werden. Das aber wollten wir nicht und hatten zum Ausbildungsstart plötzlich alle unsere Ausbildungsverträge ’vergessen’. Die konnten also nicht geändert werden. Und wir hielten dieses alte Papier in Ehren. Und wurden schließlich alle Schlosser.“
Diese Widerspenstigkeit blieb so ziemlich einmalig. Finsch jedenfalls hat heute fast ausschließlich positive Erinnerungen an die dreijährige Lehre an Werkbank und Schulbank gleichermaßen. 22 Jungen und Jutta als einziges Mädchen schlossen 1964 Beruf und Abi ab. 2014 stehen demzufolge „goldenes“ Abitur und Lehre ins Haus.
Neben einem Lehrling aus Köthen und einem zweiten aus Coswig kamen die Waggonbau-Abi-Stifte ausnahmslos aus Dessau. Nach dem Abschluss aber haben sich ihre Spuren so ziemlich in alle Winde verstreut. „Wir sind ja dann fast alle zum Studium gegangen, ich zum Beispiel zur Lehrerausbildung nach Halle. Vier bis fünf Jahre noch hatte der Ausbildungsbetrieb seine Zöglinge zu Treffen jeweils am 28. Dezember ins Palais Dietrich - das damalige ’Maja’ eingeladen und sich nach ihrem weiteren Werdegang erkundigt. Und auch kleine Prämien als Studienbeihilfe ausgereicht.“ Aber dann liefen Zeiten und Lebenswege immer weiter auseinander. „Und wir haben es nie mehr zu einem Klassentreffen geschafft.“
Wer erkennt sich auf Bildern?
Jetzt aber steht die „50“ bevor und Axel Finsch will es noch einmal versuchen. Er schickte Bilder aus seinem Fotoalbum zur MZ. „Vielleicht erkennt sich darauf ja einer, erinnert sich und wäre an einem Wiedersehen interessiert?“ In Görzig jedenfalls hatte sich bislang noch niemand gemeldet. Aber wie heißt es doch: Was nicht ist...
Axel Finsch, 06369 Görzig, Bahnhofstraße 32; Tel: 034 975/21738
