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Pleite von Pauly Biskuit Kekshersteller Pauly Biskuit: Hunderte Anleger haben ihr Geld verloren

Von Steffen Brachert 27.04.2017, 07:53
Mit Keksen zu Reichtum: Für viele kleine Privatanleger ist dieses Experiment gescheitert.
Mit Keksen zu Reichtum: Für viele kleine Privatanleger ist dieses Experiment gescheitert. DPA

Dessau - Geblieben ist der süße Geruch, der oft über der Argenteuiler Straße liegt. Überraschend ist das nicht: Auf dem ehemaligen Gelände von Pauly Biskuit im Dessauer Gewerbegebiet Mitte werden noch immer Kekse und Waffeln gebacken. Unter neuem Namen.

Verschwunden sind aber über 15 Millionen Euro und damit das Ersparte von hunderten Anlegern, die dem Dessauer Keksproduzenten Pauly Biskuit einst das Versprechen von einer Rendite von 7,25 Prozent glaubten -  und  fast alles verloren. Geld ebenso wie den Glauben an den Rechtsstaat.

Anleger haben in Anleihen von Pauly Biskuit investiert

„Die Quote wird nicht über zehn Prozent liegen“, sagt der Münchner Rechtsanwalt Alexander Engelhard. Übersetzt heißt das: Wer einst 5.000 Euro in eine Unternehmensanleihe von Pauly Biskuit investiert hat, wird aus der Insolvenzmasse deutlich weniger als 500 Euro zurückerhalten.

Engelhardt vertritt juristisch etwa 30 enttäuschte Gläubiger und sitzt auch im Gläubigerausschuss. Wann das Insolvenzverfahren zum Abschluss gebracht wird? „Die Fragen stellen wir uns auch. Bis Ende des Jahres sollte das durch sein.“

Kekshersteller hatte Insolvenz angemeldet

Zurückhaltend gibt sich Tim F. Gätcke, der Insolvenzverwalter in Celle. Im ersten Quartal 2017 wollte er das Insolvenzverfahren eigentlich abschließen. „Es sind aber noch zwei Gerichtsverfahren anhängig.“ Es geht um Schadenersatz. Es geht um Zahlungen eines Zulieferers. Gätckes Aufgabe und Ziel ist klar: Die Insolvenzmasse vergrößern.

Wie viel bislang zusammengekommen ist, dazu macht der Rechtsanwalt keine Angaben. Der letzte Gläubigerbericht stammt von Mitte 2016. Die genannten Zahlen zeigen die Dimension des Falls: Die Höhe der angemeldeten Verbindlichkeiten lag damals bei 28 Millionen Euro, von denen 16 Millionen Euro als berechtigte Forderungen anerkannt waren.

Auf der Einnahmeseite, dem Verwalterkonto, befanden sich etwa 900.000 Euro, von denen am Ende noch die Vergütung des Insolvenzverwalters abgezogen wird. Wer die 900.000 Euro gegen die 16 Millionen Euro stellt, kommt auf eine Quote von knapp fünf Prozent. Ob die Rechnung stimmt?

Der Fall Pauly Biskuit gleicht einem Wirtschaftskrimi

Gätcke schüttelt nur den Kopf. „Ich will nicht der Buhmann sein, wenn es am Ende weniger wird.“ Der Fall Pauly Biskuit ist ein Wirtschaftskrimi, bei dem unklar ist, ob dieser je vor Gericht aufgearbeitet wird.  Im März 2012 - vor ziemlich genau fünf Jahren -  hat Pauly Biskuit einen Insolvenzantrag gestellt.

Oder: Die 1. Dessauer Beteiligungs AG war zahlungsunfähig. Anfang Januar 2012 hatte sich der Kekshersteller hinter den Kulissen aufgespalten - in eine Finanzgesellschaft und in eine Produktionsgesellschaft. Die Finanzgesellschaft verlegte ihren Sitz überraschend ins niedersächsische Celle und meldete dort im März 2012 Insolvenz an.

Gläubiger warten immer noch auf ihr Geld

Kurz zuvor war eine Unternehmensanleihe in Höhe von etwa acht Millionen Euro fällig geworden. Es war Geld von Anlegern, die an Pauly Biskuit Expansionspläne geglaubt hatten. 14 Monate später, im Mai 2013, war auch der Pauly Biskuit & Chocolate GmbH & Co KG das Geld ausgegangen. 

Kurz darauf kam die Produktion zum Erliegen. Gätcke wurde auch hier zum  Insolvenzverwalter. Die Investorensuche war erfolgreich. Zum 1. August 2013 erfolgte der Neustart als Dessbo Sweet und Biskuit.

Neustart als Dessbo Sweet und Biskuit

Die Umstände der Insolvenzen sind bis heute seltsam. Klar ist, Pauly Biskuit wusste um die finanziellen Schwierigkeiten, wenn die Anleihe fällig wird. Im Februar 2012 war der Verkauf  an den Schweizer Finanzinvestor Sofica gescheitert.

Kurz zuvor war ein geheimnisvoller Berater in dem Dessauer Unternehmen aufgetaucht, dessen Firma auf der Webseite mit dem Spruch „Wir helfen, wo andere aufhören“ für sich warb. Im Internet sind die Spuren dieser Firma heute fast komplett getilgt.

Ob der Mann die Aufsplittungsidee hatte? Es ist nicht unwahrscheinlich. Kann man so hunderte Anleger prellen? „Es scheint so“, sagt Anwalt Engelhardt, „als ob die mit dieser Sache durchkommen.“

Unternehmen hat sich vor Insolvenz aufgespalten

Einen Prozess hat es in der Sache Pauly Biskuit bislang gegeben: Die geständige ehemalige Finanzbuchhalterin wurde im Dezember 2014 wegen Untreue in 18 Fällen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. 441.000 Euro soll die Frau für privaten Zwecke abgezweigt haben, 130.000 Euro hat sie inzwischen zurückgezahlt.

Es ist Teil der Insolvenzmassen. Eines stellte der Staatsanwalt damals aber klar: Für die Insolvenz der Firma war die Frau nicht verantwortlich.
Die auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisierte Staatsanwaltschaft in Halle war damals optimistisch. Die Buchhalterin hatte kooperiert - und ausgepackt.

Finanzbuchhalterin wurde auf Bewährung verurteilt

Zweieinhalb Jahre später ist man abwartender. „Die strafrechtliche Aufarbeitung des Komplexes ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Oberstaatsanwältin Heike Geyer auf MZ-Anfrage.  „Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung hinsichtlich der Pauly AG, aber  auch der Nachfolgefirma dauern an.“

Ende 2016 wurde gegen  eine Verantwortliche der Firmen Anklage  wegen Betruges erhoben. Terminiert ist der Fall noch nicht. „Ich bitte daher um Verständnis“, sagt  Wolfgang Ehm, Sprecher des Landgerichts in Halle, „dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu Gegenstand der Anklage und Person der Angeklagten keine weiteren Angaben gemacht werden können.“

Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrugs könnten bald eingestellt werden

Engelhardt setzt in die strafrechtliche  Aufarbeitung nicht mehr allzu viele Hoffnungen. „Ich habe Ende des Jahres Signale bekommen, dass die Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrugs eingestellt sind“, sagt der Mann aus München und weiß um die Konsequenzen.

„Zivilrechtlich gibt es damit kaum noch eine Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.“ Für Engelhardt hat das Aufsplitten, Verschieben und Übertragen von Pauly Biskuit vor dem Fälligwerden der Anleihe „ein extremes Geschmäckle“. 

Doch: „Offensichtlich ist all das nicht anfechtbar.“ Der Plan der Hintermänner von Pauly Biskuit scheint damit aufzugehen. Zum Schaden der Anleger. Die wollten 7,25 Prozent Zinsen haben - und stehen nun mit fast leeren Händen da. Das Risiko war zu groß. (mz)